
- Knut - Fruehlingsstern
Update am 1. April 2011
Der Eisbär Knut aus dem Zoologischen Garten Berlin ist am 19. März 2011 gegen 15.00 Uhr völlig unerwartet verstorben. "Knut ist an einer Gehirnentzündung mit Muskelkrämpfen erkrankt, von seinem Felsen gestürzt und im Wassergraben des Geheges ertrunken. Die Entzündung, die auch Teile des Rückenmarks betraf, sei durch eine Virusinfektion verursacht worden, gaben der Zoo und das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) am Freitag, den 1. April 2011 in Berlin bekannt. IZW-Pathologin Claudia Szentiks machte deutlich, dass der erst vier Jahre alte Knut keine Überlebenschance gehabt habe." Meldung aus Welt-online.
Die Reaktion von den anwesenden Besuchern, die der Betreuer im Zoo war Fassungslosigkeit und Trauer. Es trauern aber mit ihnen weltweit unzählige Menschen, nicht nur die regelmäßigen Besucher des Zoos. Knut war nicht ein beliebiges Tier, Knut war ein Symbol dafür, dass sich persönlicher Einsatz noch lohnt. Durch seine ganze Lebensgeschichte zieht sich das Prinzip der Hoffnung und der Wärme. Nun ist dieses Licht für immer erloschen.
Wie kann der Tod eines Zootieres die Menschen so erschüttern?
Der Berliner Psychologe Peter Walschburger: "Vielen ist Knut ans Herz gewachsen - so wie ein Familienmitglied oder Partner", meinte er in einem Interview der Nachrichtenagentur dapd. „Darunter seien vor allem solche, die fehlende intakte Sozialbeziehungen durch eine vermeintliche Beziehung zu einem prominenten Zootier ersetzten. Beziehungen zu Haustieren können eine ähnliche therapeutische Funktion haben. Wer Knut zu einer Art Ersatz-Fantasiepartner erhoben habe, der trauere ähnlich heftig wie jemand, der tatsächlich einen nahen Angehörigen verloren hat“, erläuterte Walschburger.
Die Schlussfolgerung in seinem Interview, dass diese Menschen das andere Leid in der Welt übersehen, ist einseitig und kurzsichtig. Möglicherweise handelt es sich bei diesen Menschen eher darum, dass sie eben mehr Mitgefühl für ihre Umwelt besitzen, als allgemein üblich, denn die Trauer um ein geliebtes Tier, ob Haustier oder in diesem Fall Zootier, schließt das andere keineswegs aus.
Fragt man die Menschen selber, stellt sich rasch heraus, dass es sich um keine homogene Gruppe handelt. Eines ist allen aber eigen: ob Kinder, junge Menschen oder bereits ältere; "Tierliebe und Mitgefühl". "Knut war einfach so lieb." „Knut war ein Lichtblick in einer sonst kalten Zeit.“ „Knut war Ablenkung vom Alltag, war ein freudiger unbeschwerter Abschluss am Ende eines anstrengenden Tages.“ „Knut war Wärme und Hoffnung, dass doch alles gut wird.“ "Knut war einfach Knut." Und wie sagte auch Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit? „Wir hatten ihn alle ins Herz geschlossen.“ So einfach ist es zu erklären.
Knuts besondere Lebensgeschichte
Die Lebensgeschichte von Knut, das aufopfernde Verhalten, nicht nur von seinem Ziehvater Thomas Dörflein, sondern von der ganzen Pflegerriege, war einfach berührend. Da waren drei „erwachsene Männer“, die sich liebevoll und ohne auf ein nennenswertes Entgelt oder eine andere Kompensation hoffen zu können, voller Einsatz einer Aufgabe widmeten. Die Aufgabe hieß: ein Tierkind hoch zu päppeln und am Leben zu erhalten.
Einer davon, Thomas Dörflein, mutierte innerhalb von wenigen Augenblicken mit dieser Entscheidung zur „Eisbärenmutter“, oder von den Menschen liebevoll „Ziehpapi“ benannt, mit allen Konsequenzen, wie Dauereinsatz, Schlafentzug, keinerlei Privatleben für Wochen und Monate. Eine Sache, die in einer Zeit, wo Solidarität bereits ein Fremdwort und Hilfsbereitschaft ebenso schon fast ausgestorben ist, befremdlich anmutet. Der viel zu frühe plötzliche Tod von Thomas Dörflein, in einer Zeit, als Knut ihn noch brauchte, war ein zweiter dramatischer Einschnitt in Knuts Leben. Auch den meisterte er mit Hilfe der verbliebenen Pflegerriege.
Dass dieses Leben so wunderbar gedieh, aus diesem putzigen Tierbaby erst ein moppeliger Junge, dann ein ranker Jungbär wurde, das war wunderbar mit anzusehen. Nicht nur mit verklärten Augen gesehen, sondern auch durchaus realistisch, mit biologischer nüchterner Betrachtung. Knuts Leben hatte viele gute Tage, aber auch weniger rosige Zeiten. Noch nie wurde das Werden eines Eisbären so genau und gründlich dokumentiert, von den ersten Tagen an, sein ganzes Leben und tragischerweise auch sein Tod.
Eisbär Knut, eine besondere Tierpersönlichkeit
Knut war aber auch ein Tier mit einer besonderen Persönlichkeit, das stellte auch Zookurator Heiner Klös fest, als er selbst mit Trauer in der Stimme die Aufgabe hatte, Knuts Tod vor der anwesenden Presse zu melden. Vielleicht aus dem Umstand, heraus, dass Knut von Menschen groß gezogen wurde, und daher gerne die Nähe des Menschen, seine Anerkennung, seine Aufmerksamkeit suchte. Aber auch sein durchwegs sanfter Charakter trug dazu bei. Nicht nur so lange er noch die Pflege und Wärme seines Ziehvaters Thomas Dörflein genießen konnte, auch nach dessen tragischem Tod. Knut war außergewöhnlich. Sein selbstvergessenes Spielen mit Jutesäcken, sein Erproben der Kräfte an diversen Baumstämmen, seine drolligen Turnübungen, die sein Publikum zum Schmunzeln brachten.
Wie gut ist den Zoobesuchern auch das Ballspiel in Erinnerung, wo der Bär von sich aus – ohne Dressurakt - den Menschen draußen vor seinem Zaun die zermatschen Bälle zuwarf und den Rückwurf wieder lautstark einforderte. Seine direkten Blicke hinter der Glasscheibe im großen Eisbärengehege, frei von Aggression. Sein sanfter Charakter äußerte sich besonders in der Anfangszeit mit Giovanna. Wie lange brauchte er, bis er sich lautstark erst gegen Giovanna, später gegen die drei erwachsenen Eisbärinnen durchzusetzen lernte. Sicher trug auch das fehlende gelernte Verhalten durch die Eisbärenmutter das Ihre dazu bei. Aber auch das genetische Erbe, denn sein Vater Lars ist ein eher zurückhaltender, sanfter Bär und keinesfalls ein Macho.
Knut als Mediator der unterschiedlichsten Menschen
Eine Besonderheit, die Knut aus den anderen Tieren oder Superstars heraus hob, ist, dass er durch sein Dasein schaffte, viele unterschiedliche Menschen zusammen zu bringen, ob unter den regelmäßigen Zoobesuchern oder unter den zahlreichen Besuchern im Internet. Er führte die Menschen zusammen. Freundschaften entwickelten sich aus den ersten zögerlichen Gesprächen. Erst aus dem rbb-Blog, später aus den einzelnen gegründeten Blogs und Foren, fanden sich Menschen aus den verschiedensten Berufen und Lebensbereichen in ihrem Interesse für Knut. Und es waren beileibe nicht nur allein stehende ältere einsame Damen, wie mancherorts von den Medien leicht verächtlich moniert wurde. Man braucht sich nur nach seinem Ableben die Einträge bei Facebook anzusehen. Sogar da, wo sich die Gruppen bei diversen Meinungsverschiedenheiten auseinander entwickelten, blieb allen Eines gemeinsam: Die Begeisterung und die Liebe zu diesem besonderen Tier. Und das sicherlich bei allen Gruppierungen gleich empfundene Entsetzen und die tiefe Traurigkeit, die sein Tod auslöste.
Deshalb wird Knut vielen Menschen fehlen, weil er es schaffte Menschen zu verbinden, weil er es schaffte, ein Lächeln auf ihren Gesichtern hervor zu zaubern, weil er ganz einfach ein liebenswerter Eisbär war.

