. .
Panorama-Nachrichten
Schlagzeilen RSS Mobil iPad stern.de Blogs Hefte
 
Fotocommunity
Fotocommunity

Treffpunkt für ambitionierte Amateurfotografie. Bilder hochladen und bewerten, sich mit anderen Austauschen. mehr...

Weblogs bei stern.de
Weblogs bei stern.de

Die Online-Tagebücher bei stern.de: Freie Autoren schreiben hier persönlich, direkt und eigenständig. mehr...

Information und Unterhaltung mit Steffen Hallaschka
sternTV - Information und Unterhaltung mit Steffen Hallaschka

Vertiefende Informationen zu der aktuellen und den vergangenen Sendungen von sternTV. mehr...

 
3. Juli 2007, 08:27 Uhr

Der Herr der Tiere

Seekühe findet er zum Verlieben, Elefanten von allen Viechern am schlauesten. Sein Favorit ist das Nashorn und Eisbär Knut sein Blockbuster. Der eigenwillige Bernhard Blaszkiewitz leitet die beiden Berliner Tiergärten, die zu den bestbesuchten der Welt gehören. Von Claus Lutterbeck

Schrift: A A A

Bernhard Blaszkiewitz, 52, mit Dickhäutern im Berliner Tierpark Friedrichsfelde. Schon als Volontär hatte man ihn den großen Tieren zugeteilt© Anne Schönharting

Frühmorgens ist im Zoo der Bär los. Lange bevor die ersten Besucher kommen, tapst der kurzsichtige Knut über die leeren Wege, immer hinter seinem Pfleger her, bis zu einer verschmierten Scheibe. "Isser-nich-süüß", würden die Berliner sagen, sähen sie ihn da sitzen, brav wie ein Steifftier. Doch seine Eltern Tosca und Lars, die auf der anderen Seite der Glaswand lauern, nehmen den Kleinen anders wahr. Sie werfen ihre 500 Kilo gegen die Panzerscheibe, dass es kracht. Für sie hockt da nicht "Knut, der neue Klinsi" ("BZ"), sondern ein weißes Häppchen, das sie gern verputzen würden.

"Die Natur ist nicht so romantisch, wie die Leute immer glauben", sagt der Zoodirektor und schiebt sich mit zwei Stäbchen geschickt eine Portion Schweinebauch mit schwarzer Aalsauce in den Mund, eine chinesische Delikatesse, die er für sein Leben gern isst. "Tiere ticken nicht wie Menschen, und schon gar nicht", der Zoodirektor lächelt maliziös, "wie Journalisten." Wir sitzen beim Chinesen in der Kantstraße, es gibt viel klein geschnetzeltes Getier in scharfen Saucen. Zu Sentimentalitäten neigt Dr. Bernhard Blaszkiewitz, 52, nicht.

Unter großen Viechern

Im Winter, sagt er, sei der Zirkus vorbei, dann "wiegt Knut hundert Kilo und fällt jeden an, der zu ihm reingeht". Wir bestellen Schweinerippchen in Bohnenpaste und Dim-Sum-Hackepeter- Bällchen, sie verschwinden mit unglaublicher Geschwindigkeit im fröhlichen Zoodirektor, "ick esse für mein Leben gern", sagt er, "Gott liebt auch die Dicken und Vielfraße, sonst hätte er sie nicht jeschaffen". Als er noch im Zoo volontierte, habe man ihn als Pfleger für die "großen Viecher" eingeteilt, mit der Begründung, "da fällt der Blaszkiewitz nicht so auf ".

In der Schule bekam er Notenabzug, weil er so berlinerte, aber das scherte ihn genauso wenig wie "all die Verrückten, die uns jetzt erklären, was man mit einem Eisbären zu tun hat". Er tut sich auch nicht "all den Schwachsinn" an, der dauernd über Tiere in den Zeitungen steht, "da les ich lieber das Bistumsblatt für Berlin-Brandenburg". Blaszkiewitz ist gläubiger Katholik, und er provoziert gern: "In unserer Gesellschaft ist es ja üblich, sich diplomatisch zu äußern. Das mag ich nicht. Ich sage gern, was ich denke."

"Vegetarier sind selber schuld"

Der Zeitgeist ist ihm "schnuppe", er hatte auch "nie lange Haare" und war "nie links oder liberal". Als ein Reporter vom "Tagesspiegel" ihn neulich fragte, warum es im Zoorestaurant kein vegetarisches Gericht gebe, bollerte er los: "Wer Vegetarier ist, ist selber schuld. Dafür habe ich wenig Verständnis. Wer ohne tierisches Eiweiß auskommt, tut seinem Körper nichts Gutes. Ich bedaure auch die Leute, die morgens Vogelfutter fressen. Wenn das der liebe Gott gewollt hätte, hätten wir einen Schnabel."

Der Urberliner mit den polnischen Vorfahren wirkt wie aus einer anderen Zeit, er hat keinen Führerschein, liest dicke Bücher, geht sonntags in die Kirche, besitzt keinen Computer, sondern schreibt auf einer alten Schreibmaschine. Das Wort DDR hat er nie ausgesprochen, "für mich war det immer die Ostzone". Verheiratet ist der Junggeselle mit dem Zoo, da kennt er jedes Tier, er mag sie alle, besonders die "abseitigen". Seekühe seien "zum Verlieben".

"Delfine sind überschätzt"

Nicht Affen hält er für die intelligentesten Lebewesen nach dem Menschen, sondern Elefanten. Und Delfine seien überschätzt, die können "auch nicht mehr als jeder Foxterrier". Sein Lieblingstier ist nicht ganz zufällig das Nashorn, es hat eine dicke Haut, ist trotzdem sensibel und wild auf Schokolade. Das Täfelchen, das er sich immer mitbrachte, als er noch studentische Hilfskraft war, haben meist sie gefressen. Auch Gorillas, "die ja draußen nur Gemüse kennen, machen für Zartbitter alles".

Der eigenwillige Blaszkiewitz stammt aus Berlin-Schöneberg, sein Vater war Speditionskaufmann, zu Hause gab es nur kleine Tiere: eine Schildkröte, ein paar Prachtfinken und einen Wellensittich, der ihm mal aufs Schönschreibheft geschissen hat. "Als ich das meinem Lehrer weismachen wollte, bekam ich eine Fünf." Aber das war ihm sowieso egal, denn er wusste damals schon, dass er Zoodirektor werden wollte. Heute ist er Herr über 22.770 Tiere, die in den beiden Berliner Zoos leben. Der im Westen liegende ist der artenreichste der Welt (14.047 Tiere in 1449 Formen), der Tierpark Friedrichsfelde im Osten einer der schönsten und größten. Beide gehören weltweit zu den bestbesuchten.

Die ziehen wir auf

Als es im vergangenen Dezember darum ging, was man mit den beiden von der Mutter Tosca nicht angenommenen, nur 810 Gramm schweren Eisbärenbabys machen sollte, war für ihn die Sache "sofort klar. Die ziehen wir auf. Alle Zoos hätten die gleiche Entscheidung getroffen, es ist totaler Quatsch zu behaupten, man müsse sie einschläfern, weil sie nicht artgerecht aufwachsen könnten". Der eine Eisbär starb nach drei Tagen an einer Darminfektion, den anderen haben Zootierarzt André Schüle, 33, und Bärenpfleger Thomas Dörflein gerettet. Sie tauften ihn Knut - er wurde zum Weltstar.

Zoodirektor Dr. Bernhard Blaszkiewitz mit zwei verspielten Varis, einer Lemuren-Art aus den Wäldern des östlichen Madagaskar© Anne Schönharting

Knut ist heute der Botschafter aus dem verlorenen Paradies, mit seinem Charme hat er weltweit Millionen Menschen verzaubert und dem Zoo ganz nebenbei einen siebenstelligen Betrag in die Kasse gespült. Der Zufall hat die beiden zusammengewürfelt, nun sind Knut und Dr. Blaszkiewitz gewissermaßen die Hauptdarsteller in einer Doku-Soap, in der es um lauter existenzielle Fragen geht. Was passiert, wenn wir den Planeten weiterhin so plündern? Dürfen wir den Lebensraum der Tiere so zerstören? Dürfen wir Eisbären einsperren? Von Hand aufziehen? Dürfen wir überhaupt Tiere in Zoos halten?

"Da weiß ich, was kommt: Kokolores"

Das Wort "artgerecht"! Da rollt der Zoologe, der seine Diplomarbeit über die Haltung von Nashörnern in deutschen Zoos verfasst hat, mit den Augen. Da redeten gern Leute mit, die "keine Ahnung haben". Überhaupt habe er beobachtet, dass die biologischen Kenntnisse der Leute immer schlechter würden, obwohl es heute viel mehr Möglichkeiten gebe, sich zu bilden. Wenn er schon Artikel liest, die mit dem Rilke-Gedicht vom eingesperrten Panther beginnen – "Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe/und hinter tausend Stäben keine Welt" -, dann liest er nicht weiter: "Da weiß ich, was kommt: Kokolores."

Die "selbst ernannten Tierschützer", wie dieser Fenstermonteur aus dem Schwäbischen, der die Knut-Hysterie mit seinem Aufruf entfacht hat, man müsse ihn eigentlich einschläfern, hätten meist "viele Emotionen und wenig Wissen". Es komme immer wieder vor, dass man Tiere einschläfern müsse, die "nicht lebensfähig sind, wie eine Antilope mit verbogenen Beinen, oder wenn sie Tumore haben", aber wenn es die Chance gebe, ein Tier zu retten, "dann ziehen wir es von Hand auf. Das machen übrigens alle Zoos so".

Ihr Lebensraum ist in Gefahr

Neulich hat ein Wissenschaftler in der "Zeit" behauptet, Eisbären brauchten ein Gebiet "groß wie Italien", um sich wohlzufühlen. Blaszkiewitz verdreht die Augen. "Der Eisbär läuft 30 Kilometer, wenn er Hunger hat. Aber wenn er schon nach zehn Metern was zu fressen findet, läuft er nur zehn Meter." Und die Wärme? "Das sind Sonnenanbeter, die legen sich in die Knallsonne. Das Problem ist das Beutespektrum, ihr Lebensraum in der Wildnis ist in großer Gefahr."

Das Verhältnis zwischen Tierschützern und Zoos, das in den 70er Jahren noch blanke Feindschaft war, hat sich seither stark gebessert. Er kriegt nur noch selten Post wie kürzlich: "An den Gefängnisdirektor, Tiergefängnis Deutschland". Wahr ist: Die Zoos von heute haben nicht mehr viel zu tun mit den vergitterten Tieraufbewahrungsanstalten von einst. Besonders wichtig war das Washingtoner Artenschutzabkommen von 1973, das den Handel mit bedrohten Tierarten untersagt hat. Seit Zoos sich nicht mehr auf dem Markt mit wilden Tieren eindecken können, hat die Zucht enorme Bedeutung gewonnen: "Wir züchten heute praktisch alle Säugetiere." Das sei gerade bei den Menschenaffen "ein Segen", denn in der freien Wildbahn sind sie längst bedroht.

Gefunden in ... Stern Stern
Ausgabe 26/2007

  zurück
1 2
MEHR ZUM ARTIKEL
Berliner Eisbär Steinbrück will Gabriel an Knut verfüttern

Der kleine Eisbär Knut hat es nicht leicht. Täglich wollen ihn tausende Besucher anschauen, er ist zu einem international gefragten Fotomodell geworden. Doch nun kommt die Belohnung: Einen leibhaftigen Minister soll er als Leckerbissen bekommen. mehr...

Eisbär Knut wird Kinderbuch-Star

Kuscheltiere, Postkarten, Tassen mit Knut? Das ist noch gar nichts. Denn jetzt soll der kleine Eisbär so richtig vermarktet werden. Unter anderem soll es eine Internetseite und eine DVD von ihm geben. Das größte Knut-Projekt wird vor allem Kinder freuen. mehr...

Berlins Eisbär Todesdrohung gegen Knut

Angst im Berliner Zoo: Ein Unbekannter droht, den kleinen Eisbär Knut zu ermorden. Die Polizei wurde eingeschaltet. Jetzt bewacht ein privater Wachdienst den Publikumsliebling. mehr...

MEHR ZUM THEMA
powered by wefind WeFind
 
stern testen, Serie sichern

Jetzt den stern inklusive der aktuellen Serie "Der 11. September" testen! Jetzt sichern

 
 
 
 
 
stern - jetzt im Handel
stern (39/2011)
Oh Gott