Last Update 12.09.2016

 

 

 

 

 

 


World of Animals ... to bring people closer to nature!
Links zu Tier WebCams, Natur-/Tier-Fotografen, Projekte und mehr ...

Warum jede einzelne Tier WebCam Adresse extra speichern? ..... EINE Adresse reicht.  Auf diesen Seiten finden Sie eine Auflistung von ausgewählten WebCams, die laufend erweitert wird. Für Hinweise auf weitere Webcam-Seiten sind wir immer dankbar!  Webcam melden...

 Störche

Nestunterlage und Bruterfolg des Weißstorchs (Ciconia ciconia) an zwei Brutplätzen im Rotmaingebiet 

(Fehlende bzw. verkrüppelte Handschwingen beim heranwachsenden Weißstorch) 
Von EDMUND LENZ, Höchstadt a.d. Aisch und MICHAEL ZIMMERMANN, Erlangen

Unter einer ähnlichen Überschrift hat sich Robert PFEIFER (1989) mit dem Bruterfolg der Weißstörche von Altdrossenfeld und Oberkonners- reuth beschäftigt. Auslöser dieser Arbeit war der geringe Bruterfolg von 1,28 flüggen Jungen pro Horst und Jahr, der noch deutlich hinter dem (für die Arterhaltung zu niedrigen) bayerischem Mittelwert von 1,79 zurückbleibt.

R. PFEIFER fand für den besonders geringen Bruterfolg in nassen Sommern folgende Erklärung:
     -> Schlechtes Wetter
     -> Zeitliche Verschiebung der Heumahd
     -> (Alttiere finden im hohen Gras keine Regenwürmer)
     -> Schlechte Bodenzugänglichkeit der Wiesen
     -> Verhungern der Brut

Diese Aussage deckt sich mit der des bayerischen Storchengutachtens (BURNHAUSER 1983, Seite 54), welches "sukzessives Verhungern durch ungünstige Ernährungsbedingungen als wesentliche Verlustursache nestjunger Störche" sieht.

Nun, wer die Bewirtschaftungspraxis in einer Talaue ein paar Jahre beobachtet, weiß, daß die Bauern entsprechend ihrer verschiedenen unternehmerischen Risikobereitschaft den Zeitpunkt der Heumahd keineswegs einheitlich wählen, so daß sich doch Zweifel an der Richtigkeit der gegebenen Erklärung aufdrängen. Überdies liegen die Regenwürmer bei Nässe nicht nur im hohen Gras, sondern auch auf den meist hart verbauten landwirtschaftlichen Wegen, oft in einer Dichte, daß man kaum Platz für den nächsten Tritt findet. Auch die Art und Weise, wie schnell eine vitale Brut bei Starkregen die Köpfe nicht mehr über den Nestrand hebt, nährt die Zweifel an der dargebotenen Erklärung. R. PFEIFER erwähnt zwar selbst alternativ einen möglichen "Kausalzusammenhang zwischen der Beschaffenheit der Nester und den Vogel- verlusten in Regenperioden", verfolgt diesen Gedanken aber bedauerlicher Weise nicht weiter. Dies möchten wir hiermit nachholen.

Bis Anfang der 80er waren auch wir Anhänger der Hungertheorie. Am 28. 5. 1983 haben wir dann aber dazugelernt: nach einer Regennacht konnten wir von unten keine Jungtiere mehr sehen und mancherorts strichen beide Alttiere vom Horst ab (normalerweise bleibt bei einer jungen Brut immer ein Altvogel am Nest). Wir fuhren deshalb unsere Horste mit der Feuerwehrleiter an und mußten die grausige Feststellung machen, daß 70% der Jungtiere an Unterkühlung eingegangen waren. Eine andere Diagnose war nach Lage der Dinge absolut unmöglich: die Nestmulden hatten sich in Schlammlöcher verwandelt, das Dunengefieder der Jungtiere war unbeschreiblich verschmutzt und verklebt und alle Jungen, ob tot oder lebendig, waren in einem guten Ernährungszustand.

Auch in den darauffolgenden Jahren haben wir unsere Horste nach Regen angefahren und festgestellt, daß im Mittel etwa 50 % der Jungtiere nach Regen an Unterkühlung sterben. Wenn man sie daran hindert, indem man das Nest rechtzeitig wasserdurchlässig macht, dann verdoppelt sich die Ausflugsquote. Nahrungsmangel spielt nach unserer Erfahrung, demgegenüber nur eine geringere Rolle. Als praktizierender Storchenschützer bekommt man nach dem Ausfliegen der Bruten wieder viel zu viele Jungtiere in die Hand, nämlich die Opfer elektrischer Freileitungen. Wir haben nicht versäumt sie auf die Waage zu legen. Die Gewichte lagen mit 3-4 kg allesamt im Normalereich.

Ursache der Horstvernässung ist zunächst der Plastikeintrag der Alttiere. Nach Hochwasser sind in der Talaue reichlich Plastikfetzen zu finden, die zur Nestpolsterung nach Hause getragen werden. Wir haben darüber einen Aufsatz in den Berichten der Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (LENZ & ZIMMERMANN 1990) veröffentlicht.

Wenn allerdings bereits die angebotene Nestunterlage wasserdicht ist (Holzplatte mit Dachpappe, Bleche, Platten aus Stein oder Eternit), dann wird der Horst wegen ungenügenden Wasserablaufs auch ohne Plastik zur Todesfalle.

Auch Körbe aus Weidengeflecht sind gleichermaßen gefährlich, was auf Anhieb nicht verständlich ist, da ja jedermann weiß, daß man in einem Weidenkorb kein Wasser tragen kann.

Nun ist es aber so, daß der natürliche Horsteintrag neben Gras und Mist auch einen hohen Anteil lehmiger Erde aufweist. Letztere verbindet sich durch Trittmassage mit dem Korbgeflecht, das schließlich wie eine Armierung wirkt, zu einer praktisch wasserundurchlässigen Struktur.

Die Horstunterlagen von Altdrossenfeld und Oberkonnersreuth bestehen aus solchen Körben, die zudem noch gegen Funkenflug aus den Kaminen, denen sie aufsitzen, durch eine Eternitplatte bzw. durch Blech geschützt sind. Unter diesen Umständen braucht man sich wirklich nicht zu wundern, wenn nach Starkregen die Bruten verschwinden (zuletzt Ende Juni in Oberkonnersreuth).

Die Weidenkörbe sollten daher umgehend durch wasserdurchlässige Nestunterlagen ersetzt werden. Wir haben im Nestunterlagenbau schon mehrere Jahre Erfahrung und würden gerne dabei helfen.

Es sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß sich die Storchenschützer, die Weidenkörbe verwenden (Schwerpunkt Oberpfalz), durch zahlreiche Neuansiedlungen große Verdienste erworben haben.

Die Hungerkerben
Zum Schluß berichtet R. PFEIFER über "Hungerkerben" bzw. "Hungerstreifen". die 1987 bei der Altdrossenfelder Brut aufgetreten sind und glaubt, daß sie "auf extremen Nahrungsmängeln während der Federwachstumsphase beruhen können".

In nassen Sommern entdeckt man gelegentlich bei Jungstörchen schon mehrere Wochen vor dem Ausfliegen, daß sich die Handschwingen nicht normal entwickeln. Wenn sie bei der Fluggymnastik die Flügel ausbreiten, wird sichtbar, daß Handschwingen entweder ganz fehlen, unterentwickelt oder drehwüchsig sind.

Die normal entwickelten Geschwister fliegen mit etwa 63 Tagen und wagen mit 68 Tagen die ersten Bodenlandungen in der Talaue. Die Alttiere füttern in dieser Zeit am Horst immer seltener, schließlich wird nur noch auf der Wiese Nahrung vorgewürgt, was natürlich nur dem flugfähigen Nachwuchs zugute kommt. Der flugunfähige steht derweil hungernd auf dem Horst und magert ab. Wenn die Alttiere am Abend nach Hause kommen, entziehen sie sich dem aufdringlichen Betteln, indem sie nicht auf dem Horst übernachten, sondern auf einem benachbarten Giebel oder Kamin. Schließlich sind die flugunfähigen Jungen zu jedem Risiko bereit und starten mit dem Familienverband, als wäre das Gefieder in Ordnung. Nach ein paar Metern kommt es zur Bruchlandung, wenn sie Glück haben, einigermaßen unverletzt. Der Horstbetreuer wird gerufen und birgt die abgemagerten Tiere.

Die Diagnose: "unvollständige Gefiederentwicklung wegen akuter Unterernährung (Hungerkerben)" drängt sich förmlich auf. Aber ist sie auch richtig?

Die Unterkühlungskerben
1987 trat das beschriebene Phänomen bei mehreren Jungtieren unseres Beobachtungsgebietes auf und zwar bezeichnenderweise ausschließlich in Horsten, die von oben her einsehbar sind. Hier braucht bei einsetzender Nässe nicht befürchtet zu werden, daß der bruterhaltende Eingriff zu spät kommt. Einer dieser Horste befindet sich in Gerhardshofen auf dem Pfarrhaus. Der benachbarte Kirchturm bietet hervorragenden Einblick. Zu diesem glücklichen Umstand kommt ein weiterer: M. Kress und J. Heber beobachten und fotografieren krisenhafte Entwicklungen täglich. Es geschah folgendes:

09.06.87  Die 5er Brut ist etwa 22 Tage alt, wohl genährt und vital. Die Alttiere hudern nicht mehr. Es setzt Regenwetter ein, kein Starkregen, doch mehrere Schauer 

12.06.87  Schauerwetter hielt an. Horst ist deutlich vernäßt. Die beiden größten (erstgeschlüpften) Jungtiere benützen die drei jüngeren Geschwister als Unterlage gegen die Horstnässe. Die Alttiere füttern reichlich.

14.06.87  Die drei jüngeren Geschwister sind durch Nässe und Schmutz deutlich dunkler gefärbt als die beiden älteren.

15.06.87  Zunahme der Niederschläge. Die drei jüngeren sehen vor Nässe und Schlamm fast schwarz aus. Längeres Zusehen schien uns nicht mehr verantwortbar. Die drei “Schwarzstörche” werden dem Nest entnommen. Wir können feststellen, dass sie stark unterkühlt, aber wohlgenährt sind. Die Handschwingen sind in diesem Alter schon vorgebildet und spitzen aus den blauen Blutkielen (siehe Abbildung 1).Die produzierenden Zellverbände müssen (müssten) optimal durchblutet sein.

20.06.87  Die drei “Schwarzen” werden wieder eingehorstet. Sie wurden mit Fischen, Mäusen und Eintagsküken ernährt. Das Gefieder ist wieder weiß. Die Alttiere schaffen ausreichend Nahrung herbei.

Bereits wenige Tage später zeigt sich ein Unterschied zwischen den belassenen und den vorübergehend ausgehorsteten Tieren: bei den letzteren sind bei ausgebreiteten Flügeln in der Reihe der Handschwingen Kerben zu erkennen, die mit zunehmendem Alter immer auffälliger wurden. Nach dem "Ausfliegen" haben wir sie eingefangen und in den Nürnberger Tiergarten gebracht, wo sie nach der Mauser flugfähig wurden (siehe Abb. 2 und 3).

Kerben im Erstgefieder von Jungstörchen sind somit Unterkühlungsschäden. Während Starkregen junge Storchenbruten in Gefahr bringen, an Unterkühlung zu sterben, kann länger anhaltendes Schauerwetter ab der dritten Lebenswoche dazu führen, daß der Körper des Jungtieres versucht, durch Zentralisation des Blutkreislaufes den totalen Zusammenbruch des Wärmehaushaltes zu vermeiden.

Infolgedessen werden die Blutkiele der Handschwingen an den Flügelextremitäten nur unzureichend mit Blut versorgt und sind somit nicht in der Lage, ein gesundes Gefieder zu produzieren (vgl. kalte Hände und Füße im Winter!). Die Gefiederlücken an den Handschwingen sind somit UnterkühIungskerben.

Abb. 1: Nach einer Woche Schauerwetter ist der Horst der etwa 22 Tage alten 5er Brut stark vernäßt. Die drei jüngeren Geschwister werden von den beiden älteren als Unterlage gegen die nasse Horstmulde benutzt. Dies führt zu einer starken Gefiederverschmutzung der Unterliegenden. Da mit ihrem Tod durch Unterkühlung gerechnet werden muß, werden sie vorübergehend ausgehorstet. Beachte: Die Handschwingen stecken in den Blutkielen, die in dieser Entwicklungsphase intensiv durchblutet werden müßten.

Stark vernässte Brut

Abb.2: Die Brut ist jetzt etwa 45 Tage alt. Die drei "Schwarzstörche" sind längst wieder eingehorstet und das Gefieder ist wieder weiß, sogar zu weiß. Der hintere Teil des Rückens (Handschwingen) müßte nun bei normaler Gefiederentwicklung homogen schwarz gefärbt sein. Dies ist bei dem Tier im Vordergrund (mit dem Rücken zum Betrachter) erkennbar nicht der Fall (im Hintergrund ein Alttier).

Brut 45 Tage alt

Abb. 3: Die Brut mit einem Alter von etwa 57 Tagen. Bei dem Jungtier Mitte hinten sind deutlich  die Unterkühlungskerben im Handgefieder zu erkennen. Es wird zusammen mit den beiden sitzenden Geschwistern' zunächst flugunfähig bleiben.

Brut mit etwa 57 Tagen

Zusammenfassung
Die geringen Ausflugerfolge der Weißstörche in Oberkonnersreuth und Drossenfeld sind auf ungeeignete Nestunterlagen (zu wenig wasser- durchlässig) zurückzuführen.

Die Gefiederschäden der Brut von Altdrossenfeld 1987 (Lücken in den Handschwingen) sind Unterkühlungsschäden, die entstehen, wenn bei anhaltendem Schauerwetter durch Zentralisation des Blutkreislaufes die BIutkiele der Schwungfedern unzureichend versorgt werden.

Literatur
PFEIFER, R. (1989): Zu Nahrungssituation und Bruterfolg des Weißstorches an zwei Brutplätzen im Rotmaingebiet. - Anz .Orn .Ges. Bayern 28: 117-130.

BURNHAUSER, A. (1983): Zur ökologischen Situation des Weißstorchs in Bayern. - Institut für Vogelkunde, Garmisch-Partenkirchen. 3. Juni 1983, Seite 54.

LENZ, E. & M. ZIMMERMANN (1990): Die Jugendsterblichkeit beim Weißstorch. - Berichte der ANL 14: 141-148.

Fotos: Jens Heber

Verfasser:        Edmund Lenz     Michael Zimmermann