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Kein Tigernachwuchs
Etwas zur Geschichte unserer Tiger: Sibirische Tiger werden als bedrohte Großkatzenart europaweit in den Zoologischen Gärten koordiniert gehalten und gezüchtet. Innerhalb des EEP’s (Europäisches Erhaltungszuchtprogramm) sind ca. 260 Tiere registriert, die in 95 Zoologischen Gärten gehalten werden. Unser junges Paar „Sibirischer Tiger“ lebt seit etwa 2 Jahren im Zoo. Es wurde uns vom EEP (Europäisches Erhaltungszuchtprogramm) und der zuständigen Koordinatorin im Londoner Zoo zusammengestellt und zugewiesen. Die Katze kam damals aus dem Zoo Hannover, der Kater aus dem Tierpark Hagenbeck, Hamburg. Die Eingewöhnung und Zusammengewöhnung waren äußerst schwierig. Es kann durchaus als eine Meisterleistung unserer zuständigen Tierpfleger bezeichnet werden, dass es nach zwei Jahren gelungen ist, beide erfolgreich zu verpaaren – die Katze wurde im Januar trächtig.
Im Februar erhielten wir eine Email aus dem Londoner Zoo und dem neuen zuständigen EEP Koordinator Malcolm Fitzpatrick, dass neue genetische Untersuchungen ergeben haben, dass unser Kater kein reinerbiger „Sibirier“ ist, sondern einer seiner Vorfahren ein Sumatra-Tiger war. Sumatra-Tiger werden als eigene Art geführt. Insgesamt sind 31 weitere Tiger in Europäischen Zoos von dieser Hiobsbotschaft betroffen. Der Magdeburger Kater wurde mit dieser Meldung mit sofortiger Wirkung von jeglicher Zucht ausgeschlossen. Die Katze war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits trächtig.
Die Zucht reinerbiger Tiere, vor allem auch sehr seltener, hoch bedrohter Arten ist eine der obersten Ziele der nationalen und internationalen Zoogemeinschaft. Mischlinge (Hybride) sind in jedem Fall zu vermeiden. Sie blockieren den eingeschränkten zur Verfügung stehenden Platz für die wichtige Erhaltungszucht und sind an verantwortliche Halter kaum zu vermitteln. Wir sehen es nicht als Option an, diese Tiere ggf. an Zirkusunternehmen oder sogar an undurchsichtige Tierhändler weiterzugeben.
Innerhalb des Unternehmens wurde aus diesen Gründen die Entscheidung innerhalb einer Kommission (Direktor, Zootierarzt, Zooinspektor, Tierpfleger) getroffen, dass die Jungtiere unmittelbar nach der Geburt eingeschläfert werden. Der Amtsveterinär sowie der Aufsichtsratsvorsitzende des Zoologischen Garten Magdeburg gGmbH sind über diese Entscheidung informiert. Eine Abortinduktion bei der Tigerin wurde aufgrund der möglichen Komplikationen wie Endometritis o. ä. ausgeschlossen, da sie unter Umständen eine weitere Zuchtfähigkeit dieser genetisch wertvollen Katze zur Folge gehabt hätte.
Die Aufgaben der Zoologischen Gärten sind klar umrissen und machen die Notwendigkeit dieser schweren Entscheidung deutlich: Für Zoos sind die Erhaltung der bedrohten Tierarten und der biologischen Vielfalt sowie die Zurschaustellung wildlebender Tiere die hauptsächlichen Aufgaben, denen ihr Betrieb dient (vgl. Art. 3 der Richtlinie 1999/22/EG des Rates der Europäischen Union vom 29.03.1999 über die Haltung von Wildtieren in Zoos). Die Richtlinie ist auch die Basis für das Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt. Der Zoo besitzt eine erforderliche Erlaubnis zum Betreiben eines Zoos im Sinne des Naturschutzgesetzes und ist damit auch den o.g. Aufgaben rechtlich verpflichtet.
Die sich im Umlauf befindende Information, dass erwogen wird, Kater „Taskan“ ebenfalls einzuschläfern, ist nicht richtig. Im September dieses Jahres wird auf der alljährlichen Tagung der Europäischen Zoos (EAZA) über das Zuchtprogramm der Sibirischen Tiger diskutiert. Hier werden Lösungsvorschläge für die Zucht durch ein Komitee erarbeitet und Handlungsempfehlungen für die 31 Tigermischlinge erwartet. „Taskan“ ist durch einen operativen Eingriff zeugungsunfähig gemacht worden und wird in Kürze wieder gemeinsam mit der Katze auf der Freianlage im Zoo Magdeburg zu sehen sein.
Die Emotionen kochen zunächst auf den ersten Blick verständlicher weise hoch. Im Zoo Magdeburg wurden 3 Jungtiger eingeschläfert. Eine sachliche Auseinandersetzung scheint nicht möglich zu sein, denn das Urteil ist bereist gegen den Zoo Magdeburg gefällt worden. Die Vorverurteilung ist erklärbar, denn die öffentliche Wahrnehmung der Zoowelt wird durch die Eisbären und Medienstars „Knut“ sowie „Flocke“ geprägt. Beide sind das Synonym für eine schöne heile Zoowelt, die jedoch darüber hinwegtäuscht, wofür es Zoologische Gärten weltweit überhaupt gibt und sogar rechtlich verpflichtet sind. Es heißt in Anlehnung der EU-Verordnung (Richtlinie 1999/22/EG vom 29.03.1999 über die Haltung von Wildtieren in Zoos): Die Erhaltung der bedrohten Tierarten und der biologischen Vielfalt sind die hauptsächlichen Aufgaben der Zoos, denen ihr Betrieb dient. Für die Sibirischen Tiger in Zoos bedeutet dieses a) Erhalt der Tigerart „Sibirischer Tiger“, b) Zucht Sibirischer Tiger im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) und c) Engagement zum Erhalt der Sibirischen Tiger im natürlichen Lebensraum. Zwischenräume für Interpretationen lassen die Verordnung, aber auch das Bundes- sowie Landesnaturschutzgesetz nicht zu. Fataler Weise haben es die deutschen Zoologischen Gärten bis heute nicht geschafft, ihre hauptsächlichen Aufgaben in der Öffentlichkeit nachhaltig und verbindlich zu kommunizieren. Die Schweizer Kollegen haben bereist vor Jahren damit begonnen und erreichen Verständnis bei der Bevölkerung, auch wenn es um das Einschläfern von Jungtieren als letzte Handlungsoption geht. 31 Tiger innerhalb des Zuchtprogramms sind als Mischlinge mit neusten wissenschaftlichen Methoden ausgemacht worden; das sind 12 % der Sibirischen Tigerpopulation in Zoos. Wir haben derzeit 95 Zoos, die Sibirische Tiger halten. Tiger sind Einzelgänger, so dass rein rechnerisch mindestens 15 neue Zoos mit entsprechend trennbaren Gehegen gefunden werden müssten, um die Hybride unterzubringen und um die neu zu beginnende Zucht der reinerbigern Sibirer nicht zu gefährden. Das ist aus heutiger und mittelfristiger Sicht unmöglich. Jedes zusätzliche Tier würde diese Situation nur noch weiter verschärfen. Die gesamte Zucht der Sibirer steht in den Zoos damit vor einer schwierigen Aufgabe, so dass die Ziele des EEP's nur mit äußerster Kraftanstrengung zu erreichen sind. Wir sahen es nicht als Option an, die Jungtiere ggf. an Zirkusunternehmen oder sogar an undurchsichtige Tierhändler weiterzugeben. Kleine Zoos oder Tierparks sind ebenfalls keine Option. Sie fallen ebenfalls unter die rechtlichen Bestimmungen wie der Zoo Magdeburg und würden mit solchen Tiere nie züchten wollen oder können. Anthropozentrische Ansätze und daraus resultierende vermenschlichte Betrachtungsweisen sind bei der Entscheidungsfindung bei der Einschläferung von Tieren in keiner Weise hilfreich. Wir befinden uns im Einklang mit der ökologischen Ethik. Sie beschäftigt sich mit dem moralischen Stellenwert im Umgang mit Natur, Tieren, Pflanzen, Ökosystemen oder der Erde. Vor allem betrachtet sie nicht nur den Wert oder die Rechte von individuellen Lebewesen, sondern auch das Übergeordnete, das ökologische Gesamtgefüge, in welches jedes Leben von einander abhängend eingebunden ist. Fragen, wie „müssen menschliche Bedürfnisse bei der Entscheidung über das Leben oder den Tod der Tigerjungen berücksichtig werden?“, „welchen „Wert“ haben die Tigerjungen für die Zucht in Zoologischen Gärten?“ oder „haben die Jungen eine Bedeutung für die Tiger im natürlichem Lebensraum (u.a. bei der Wiederauswilderung)?“, haben wir durch die „Brille“ der ökologischen Ethik eindeutig und direkt beantwortet.
Weitere Hintergrundinformationen finden Sie unter unserer Rubrik Presse!
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