Fachhochschulen wollen zielgenau ausbilden
Im Giraffenhaus hat Professorin Katja Biek Rauchbomben geworfen. Ihre Studenten filmten, durch welche Ritzen in Wänden und Decken der Qualm dann wieder hinauszog. Das Experiment war Teil eines groß angelegten Praxisprojektes der Technischen Fachhochschule (TFH). Angehende Architekten und Gebäudetechniker haben den Berliner Zoo vermessen, die Energietechnik untersucht, sie haben eine Datenbank mit allen Tieren in den Gehegen erstellt und ein Besucherleitsystem entwickelt. "Das Ergebnis können wir weltweit vermarkten, es gibt keine Standards für Zoos oder ähnliche Freizeitanlagen", sagt die Architekturprofessorin. Bisher sei jedes Gehege völlig neu erfunden worden.
Mit ihrem Studiengang sind die TFH-Architekten nah an der Praxis, wenn sich der Berliner Zoo auch weigert, das erarbeitete Konzept umzusetzen. Die Absolventen werden gute Berufsaussichten haben, die von Immobilienunternehmen geprägte Berliner Wirtschaft braucht Spezialisten, wie sie die TFH unter anderem im Zoo ausgebildet hat. "Alles, was mit Energie zu tun hat, nährt Mann oder Frau auch zukünftig", ist TFH-Präsident Reinhard Thümer überzeugt.
So stellen es sich die Wirtschaftspolitiker vor, die morgen bei der Berliner Wirtschaftskonferenz in Adlershof unter anderem das Thema Personal erörtern. Die Hochschulen sollen schauen, welche Fähigkeiten die Berliner Zukunftsbranchen brauchen - und richten ihr Lehr- und Forschungsangebot darauf ausrichten. Denn die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt: In den fünf Kompetenzfeldern (Biotech/Pharma), Medizintechnik, Verkehrstechnik, Optik sowie Informations- und Kommunikationstechnik) wuchs die Zahl der neuen Jobs viel schneller als im Rest der Berliner Wirtschaft.
DGB-Landeschef Dieter Scholz warnt vor Fachkräftemangel in der Region. 72 Prozent der Berliner Betriebe erwarteten in den kommenden zwei Jahren den Bedarf für neue Fachkräfte. Der demografische Wandel werde die Zahl der 18- bis 25-Jährigen in Berlin in den nächsten 20 Jahren um rund 20 Prozent sinken lassen. "Die Arbeitsmarktpolitik und Qualifizierung sind nicht auf die industriepolitischen Perspektiven Berlins ausgerichtet", rügt Scholz.
TFH-Präsident Thümer versucht, mit seiner Fachhochschule - mit 9200 Studenten, 70 Studiengängen, 290 Professoren und jährlich 1500 Absolventen - flexibel zu agieren. Wird ein Studiengang nicht angenommen, schafft die TFH in ihn nach einem Jahr wieder ab.
Der Präsident sitzt im Kuratorium der Technologiestiftung Berlin, im Ausschuss Innovation der IHK, am Runden Tisch bei Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke): Er sei "wie ein Trüffelschwein unterwegs um herauszufinden, was man noch ins Lehrangebot aufnehmen könne. Der schwächelnde Studiengang Chemie wurde angepasst; in den Studiengang Chemie und Pharmatechnik, orientiert an den Bedürfnissen der Wirtschaft. Seitdem könnte Thümer das Angebot "jederzeit ausbauen". Aber Geld dafür gebe ihm weder der Senat noch die Unternehmen.
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