Der Zoologische Garten hat einen neuen Orang Utan: Die fünfjährige Djasinga kam gestern aus Dresden nach Berlin
Dienstagmorgen, kurz vor sechs Uhr. Der Hardenbergplatz in Charlottenburg ist menschenleer. Hinten am Wirtschaftshof des Zoos heult ein Motor auf. Am Steuer sitzt Raimon Opitz, Chef des Affenhauses. Neben ihm Tierpfleger Ruben Gralki. Auf der Ladefläche steht eine grüne Kiste. Sie ist leer. Das Ziel heißt Zoo Dresden. Orang-Utan-Haus. Djasinga. Opitz holt "das neue Mädchen" ab. Er lächelt.
Derweil in Dresden: Spannung und Simulation. "Wir tun so, als ob nichts wäre, bereiten Futter vor und säubern die Käfige. Die Tiere sollen nichts ahnen", sagt Revierleiter Gerd Grätz.
Um 8.45 Uhr fährt Opitz auf den Hof. Das ist das Zeichen für Eva Zimmermann. Die Dresdner Tierärztin präpariert ihr Blasrohr und geht zum ersten Käfig. Und das Geschrei beginnt. Orang-Utan-Mutter Daisy wirft sich vor ihre Tochter Djasinga. "Sie kennt das Blasrohr und versucht, ihr Kind zu schützen", sagt Zimmermann. Daisy attackiert die Ärztin durchs Gitter. Zeit für ein Ablenkungsmanöver. Ein Tierpfleger taucht neben Zimmermann auf, ein zweites Blasrohr in Händen. Daisy ist irritiert, Zimmermann zielt und trifft. Fünf Minuten später fällt die Orang-Utan-Mutter schlafend zu Boden. Der Weg zu Djasinga ist frei. Zimmermann betäubt das Tier und tastet sich durch das lange, orange-farbene Fell. Sie untersucht Arme, Beine, Füße und Hände, nimmt Blut ab, spritzt einen Erkennungs-Chip unter die Haut und wiegt Djasinga. 32 Kilo - das sind 600 Gramm mehr, als die Mutter auf die Waage bringt.
Die Differenz ist der Grund, warum der Zoo Dresden die Fünfjährige schon abgibt. Gewöhnlich bleiben Jungtiere bis zu neun Jahre bei der Mutter. "Djasinga hat sich früh entwickelt - leider auf Daisys Kosten", sagt Grätz. Die dominante Kleine hat Muttis Rationen mitgefuttert und ihre Milch getrunken. Die Wampe ist nicht zu übersehen. "Mäusele", sagt Grätz leise. Der Dresdner begleitet seinen Schützling nach Berlin. Zum Eingewöhnen. Und zum Abschiednehmen.
Nach der Untersuchung spritzt Zimmermann Djasinga ein Mittel zum Aufwachen, weil Tiere zu ihrer eigenen Sicherheit nur bei vollem Bewusstsein transportiert werden dürfen. Die Pfleger hieven den "Wonneproppen" in die grüne Kiste. Einziges Gepäck: eine bunte Schmusedecke mit Mamis Geruch. Es ist zehn Uhr. Djasinga erwacht. Sie ist allein. Die Reise beginnt.
Vor einem Jahr hatte Wolfgang Ludwig, Zoologischer Leiter aus Dresden, Clemens Becker vom Zoo Karlsruhe zu Rate gezogen. Becker koordiniert das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) der Orang Utans und hat den Zoo Berlin ausgewählt.
Djasinga betritt um 13.11 Uhr Berliner Boden. Aber nur für Sekunden, dann hangelt sie sich an die Decke ihres Innengeheges. Der nächste Schritt folgt wohl heute: Dann trifft Djasinga auf Männchen Enche und die Weibchen Mücke, Satu und Shinta. Letztere muss irgendwann weichen, sagt EEP-Koordinator Becker. "Berlin gibt die 18-Jährige an den Zoo Sao Paulo ab." In Brasilien scheint hoffentlich auch die Sonne.
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