Zoo-Promi: Der Mann, den ein kleiner Bär ins Rampenlicht zerrte - Nachrichten Regionales - Berlin - WELT ONLINE

Anmelden | 27. September 2011, 08:08 Uhr

Zoo-Promi

Drucken Bewerten Autor: Sylke Heun| 18.06.2007

Der Mann, den ein kleiner Bär ins Rampenlicht zerrte

Wie erlebt Thomas Dörflein, Ziehvater von Berlins Kult-Eisbär Knut Licht und Schatten seiner plötzlicher Prominenz? Es sei eine "gute Schule, was den Umgang mit Menschen angeht", sagt der Tierpfleger und geht im August erstmal in Urlaub.

Wenn er das geahnt hätte. Es passierte gerade wieder auf einem Straßenfest. Knuts Ziehvater Thomas Dörflein wollte mit seiner Familie entspannt bummeln, kam aber nur ein paar Meter weit. „Die Leute riefen meinen Namen, wollten mich anfassen und küssen, Fotos machen oder ein Bier spendieren. Ich wollte doch gar kein Bier.“

Thema Tierschutz - Eisbär Knut
Foto: DPA Wahre Liebe: Pfleger Dörflein wird von Knut geherzt

Wenn der Zoo-Tierpfleger erzählt, wie es sich anfühlt, ungewollt zum Star zu werden, dann ist ihm sein Unwohlsein deutlich anzumerken. Im Supermarkt wird er beim Einkaufen angesprochen, täglich trifft ein Stapel Fanpost im Bärenrevier ein. Thomas Dörflein bekommt Bilder, Basteleien und Liebesbriefe. Manche wollen seine getragene Arbeitskleidung, andere laden ihn ein. Knut könne er gerne mitbringen, seine Freundin solle er zu Hause lassen. Er schüttelt fassungslos den Kopf. „Und das ausgerechnet mir, dem schon drei Leute auf einmal zu viel sind.“

Er hätte Knut an die Wand klatschen können

Angefangen hatte alles mit der Knuts Geburt am 5. Dezember 2006. Weil Mutter Tosca das Junge nicht annahm, sprang Thomas Dörflein als Ziehvater ein. Er zog in das Bärenrevier, pflegte das hilflose Bärchen und merkte wie jeder junger Vater: „Schlafmangel ist etwas ganz Schlimmes.“ Alle zwei Stunden schrie Knut nach seiner Flasche und wenn dann noch die Kiste vollgekackt war und der Bär ungestüm die frischangerührte Milchflasche umwarf, „dann hätte ich ihn an die Wand klatschen können“, sagt der Tierpfleger. Tat er aber nicht, denn zugleich war die Liebe zum Tier von Tag zu Tag gewachsen.

Für Thomas Dörflein ist Knut der erste Bär, den er von Beginn an großzieht. Bei der Geburt war der Eisbär fast noch ein Embryo. Dass Thomas Dörflein ganz nah an ihm dran sein darf und jede Kleinigkeit wie das wachsende Fell, die durchbrechenden Zähne oder die sich von rosa zu schwarz färbende Haut beobachten kann, das ist für ihn etwas Besonderes: „Mein beruflicher Höhepunkt.“

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Mit den Wochen wurde Knuts Zustand stabiler, dafür rückte der Zeitpunkt seiner öffentlichen Präsentation immer näher. Für Thomas Dörflein ein Graus, denn der drohende Sturm war zu ahnen. Wochenlang hatten Medien und Besucher diesen Moment kaum abwarten können. Am 23. März trat Knut erstmals vor die Kameras. Tausende drängelten sich vor dem Gehege und mit des Tierpflegers Ruhe war es vorbei. Als unersetzlicher Ziehvater musste er mit ins Rampenlicht. Ein Mann, der gern allein ist. Einer, der die Ruhe auf dem Wasser liebt. Einer, der sich abends manchmal mit seiner Gitarre zu den Tieren setzt und ihnen Elvis-Presley-Songs vorspielt. Was er sich mit der Aufzucht eines jungen Bären auflädt, das war ihm bewusst. Aber der plötzliche Rummel um seine Person, das war ein Schock. Noch dazu, weil es immer schlimmer wurde.

Der plötzliche Rummel war ein Schock

„Am Anfang war nur der kleine Bär gefragt. Inzwischen geht es immer mehr auch um dich“, sagt David Dörflein. Der 16-Jährige besuchte seinen Vater im Zoo, traf ihn nach der 14 Uhr-Show auf dem Hof des Bärenreviers. Während Knut neugierig an den Turnschuhen des Jungen knabberte, warf der einen prüfenden Blick auf seinen Vater. „Knut hat dich verändert, und das nicht zum Schlechten.“ Thomas Dörflein nickt bedächtig. „Ja, kann sein. Die vergangenen Monate waren eine ganz gute Schule, was den Umgang mit Menschen angeht.“

Auch den mit Prominenten. Die geben sich nämlich nach wie vor die Klinke der Hoftür in die Hand, um einen Blick auf den Star im weißen Pelz werfen zu dürfen. Am Montag kam US-Kinderbuchautor Craig Hatkoff, davor waren Sabine Christiansen und Barbara Becker und am Sonnabend Katie Holmes mit Tochter Suri da. So viel VIPs auf einmal und alle wollen auch Thomas Dörflein sehen. Auf einen zweiten Knut legt der 43-Jährige es trotzdem nicht an. Wenn es im kommenden Winter erneut einen kleinen Eisbären im Zoo geben und Tosca ihn nicht annehmen sollte, kommt Thomas Dörflein als Ziehvater nicht mehr in Frage. Sagt er zumindest heute. „Ich bin ausgebrannt. Das kann auch mal ein anderer machen.“

Im August hat Thomas Dörflein Urlaub. Weil seine Freundin nicht frei bekommt, wird er in Berlin bleiben und sich von jeglichem Rummel fern halten. Bis dahin muss Knut gelernt haben, auch mal ein paar Tage ohne seinen Ziehvater klar zu kommen. Das wird hart – für beide. Denn momentan hält es Knut nur höchstens einen Tag ohne ihn aus. Und wenn Thomas Dörflein den Kleinen jammern und rufen hört, dann kann er gar nicht anders als hingehen. Ein echter Papa eben.


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