Tierschutz: Unartiger Junge, du Chef von Zoo - Nachrichten Regionales - Berlin - WELT ONLINE

Anmelden | 28. September 2011, 23:11 Uhr

Tierschutz

Drucken Bewerten Autor: André Mielke | 07.04.2008

Unartiger Junge, du Chef von Zoo

Bernhard Blaszkiewitz steht unter anderem wegen der Tötung von vier kleinen Katzen in der Kritik. Der Zoo-Direktor hat viele Schlagzeilen. Einige davon klingen so, als würden in seinem Tierpark Bratwürste verkauft, die ihre Verbraucher mit den Kulleraugen von Kapuzineräffchen angucken.

Unser Sohn möchte endlich mal wieder in den Tierpark.

Wir gehen gern in Zoos. Für den aufgeklärten Menschen ist das kein reines Vergnügen mehr, sondern auch Anlass zur Selbstkasteiung: Was willst du hier, Barbar? Sind nicht all diese Makaken und Kakerlaken nur eingepfercht, damit deinesgleichen sich an ihrem Anblick ergötzen kann? – Immer, wenn mich dieser Gedanke anfällt, zucke ich innerlich mit den Achseln und formuliere im Geiste langsam, entschieden und erbärmlich: "Tja."

Die Inkonsequenz, mit der sich Kinder der Malaise nähern, ist dagegen wenigstens noch rührend. Einerseits würden sie alle einsitzenden Geschöpfe am liebsten sofort freilassen. Andererseits wollen sie unbedingt Tierpfleger werden, mit der Spezialisierungsrichtung "Thomas Dörflein". Und das ist nun mal ein Beruf, der vorzugsweise hinter Gittern ausgeübt wird. Wilde Tiere sind in aller Regel nicht bereit, Pflegedienste in Anspruch zu nehmen. Unser Sohn ist sechs und von den Kontroversen um zoologische Gärten als Horte naturkundlicher Bildung und Erbauung noch unbeleckt. Sein Tierparkbild ist wesentlich geprägt durch den Trickfilm über den Löwenpfleger Tobias Totz. Darin kommt auch ein Zoodirektor vor, ein ängstlicher und knauseriger Buchhaltertyp. Einmal sagen die Schmalspurmafiosi Gino und Luigi zu ihm: "Du unartiger Junge, Schäff von Zoo."

Als ich klein war, hieß der Chef des Tierparks in Friedrichsfelde noch Heinrich Dathe. Ein gedrungener Mann mit Hornbrille und Halbglatze. Er konnte wunderbar Vogelgezwitscher imitieren. Überhaupt schien er mir immer mit der Stimme der Tiere zu sprechen. Eine Legende. Kurz nach der Wende wurde diskutiert, dass Dathe schon 1932 Mitglied der NSDAP geworden war. Mich hat damals weniger die Tatsache als die Debatte darüber schockiert. Wahrscheinlich ist das naiv, aber Dathe ist für mich noch heute der einzige, wahre und idealtypische Zoodirektor.

Sein Nachfolger heißt Bernhard Blaszkiewitz. Ich bin mir nicht sicher, ob mein Sohn sich später mit einem zärtlichen Gefühl an diesen Namen erinnern wird. Der Direktor hatte jetzt viele Schlagzeilen. Einige davon klingen so, als würden in seinem Tierpark Bratwürste verkauft, die ihre Verbraucher mit den Kulleraugen von Kapuzineräffchen angucken. Vielleicht gibt es ja auch Souvenirs aus frisch geernteten Tigerkrallen. Wer weiß.

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Fest steht, dass der Tierparkdirektor vor 17 Jahren vier verwilderten Kätzchen den Hals umgedreht oder, wie er sich ausdrückt, "artgerecht das Genick gebrochen" hat. "Artgerecht" könnte bedeuten, dass er es auf Direktorenart getan hat, also streng sachlich-fachlich, ohne lustvolle Seufzer, und so, wie es den arteigenen Bedürfnissen einer jeden Mieze entspricht.

Ich habe noch nie ein Wirbeltier getötet. Wenn doch, dann hielt ich es für eine Unebenheit im Straßenbelag. Aber mit den Händen? Und dann auch noch mit meinen eigenen? Ich hätte aber fast schon mal feige den Mord an einem Säuger in Auftrag gegeben. An Schnucki, dem Kaninchen meiner Tochter. Es wohnte lange in einer Buchte im Garten meiner Schwiegereltern. Es ging ihm nicht gut. Ich sprach mit meinem Schwiegervater. Dabei fielen die Worte "erlösen" und "Karnickelfangschlag". Er, der Landmann, ist mental noch in der Lage, gewisse Dinge selbst zu erledigen. Ich sagte, man könne es wie einen Herzinfarkt aussehen lassen, wegen der Gefühle meiner Tochter. Er hat das Tier dann doch noch in einem Streichelzoo untergebracht. Dort lag es eines Morgens tot im Heu. So die offizielle Auskunft. Tja.

Von Heinrich Dathe waren solche Geschichten nie zu hören. Vielleicht hatte er ja einfach nur seine Leute für Dinge, die sogar in einem Kuschelwuscheltierpark nun manchmal auch getan werden müssen. Blaszkiewitz ist dagegen nicht so der Medienstar. Er wirkt eher wie jemand, der erfolgreich in der fleischverarbeitenden Industrie tätig ist. Wenn er einen kleinen Marderbären präsentiert, sieht es so aus, als würde er ihn gleich essen. Aber das sind Äußerlichkeiten. Viele Leute sind jetzt eben außer sich wegen dieser Katzensache: Unartiger Junge, Chef von Zoo.

Wenn Hunderttausende "Einheiten Nutzgeflügel" oder ein Posten Rinder wegen Virenverdachts vernichtet werden, reagiert das Publikum eher pragmatisch. Katzen, Hunde und Eisbären dagegen werden allgemein als Inhaber von Seelen und komplexen Gefühlswelten betrachtet. Wahrscheinlich kommt der Biologe Blaszkiewitz da nicht mehr mit. Ich übrigens auch nicht.


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