Immer wieder stapft sie zu dem Artgenossen hin und beobachtet ihn neugierig. Die beiden wetzen auch hintereinander her, spielen bei den Baumstämmen Verstecken und probieren nacheinander die Autoreifen, Plastikwannen und Papiersäcke aus, die Flocke zum Zeitvertreib in ihrem Gehege hat und von denen ihr Kumpel begeistert ist. «Es freut uns, dass er so viel spielt», sagt der stellvertretende Tiergarten-Direktor Helmut Mägdefrau.
Das Spielzeug habe der Bär denn auch gleich inspiziert, als er am Mittwochmorgen gegen 8.30 Uhr ins Gehege durfte, berichten Mägdefrau und Tiergarten-Pressesprecherin Nicola Mögel. Zudem präsentierte sich der russische Bär als rauer Bursche und gönnte sich erstmal ein Bad bei Minusgraden. Wie er heißt, steht immer noch nicht fest – den Namen legt bekanntlich der Zoo Madrid fest, die künftige Heimat des Bären. Doch die Spanier haben sich bislang nicht entschieden. «Uns ist das auch egal», sagt Mägdefrau. Die Pfleger hätten schon diverse Spitznamen für den Mister X aus Russland. «Die werden aber nicht verraten.» Mögel sagte, dass die Nürnberger Pfleger den Madrilenen schon fünf Vorschläge unterbreitet hätten.
Erstaunen bei Flocke
Wenige Minuten nach dem Namenlosen durfte gestern Morgen dann Flocke ihr Revier betreten. «Sie war zuerst schon etwas erstaunt, dass da jemand in ihrem Gehege ist», erzählt Mögel. Aber die beiden hatten ja schon durch ein Trenngitter miteinander geflirtet, kannten sich also. Und so lief es von Anfang an problemlos. Zur Sicherheit war ein Löschzug der Feuerwehr anwesend – falls die Bären aufeinander losgegangen wären, hätte man versucht, mit Wasserstrahlen die Gemüter abzukühlen. Immerhin ist Flocke mit ihren geschätzten 110 bis 120 Kilo kein kuscheliger Knirps mehr, von ihrem Freund ganz zu schweigen – für die Pfleger wäre es daher nicht möglich gewesen, einfach so dazwischenzugehen.
Aber die Tiergarten-Mitarbeiter mussten nicht eingreifen. Die Bären stupsten mit ihren Schnauzen aneinander und verstanden sich von Anfang an bestens. Mägdefrau ist guter Dinge, dass die Wohngemeinschaft weiterhin funktioniert. Tiergarten-Direktor Dag Encke, Mägdefrau und Mögel freut die geglückte Zusammenführung auch deshalb, weil bei der auf Menschen fixierten Handaufzucht Flocke nicht klar war, wie sie mit einem Artgenossen auskommt. «Aber sie verhält sich wie ein ganz normaler Eisbär», sagt Mögel.
Wie lange die beiden zusammen bleiben werden, ist unklar; immerhin muss der namenlose Bär, der am 29. Dezember in Nürnberg eintraf, irgendwann nach Madrid weiterziehen. Die Spanier sind mit ihrer Eisbären-Anlage nicht rechtzeitig fertig geworden und haben ihren Bären daher vorübergehend in Nürnberg «geparkt». Die Tiergarten-Chefs gehen davon aus, dass er ungefähr ein Jahr bleiben kann. «Für Flocke ist aber jeder Monat ein Gewinn», sagt Mägdefrau.
Während die beiden tollen, richtet sich Flockes Mutter Vera im anderen Gehege auf und linst herüber. Wie es mit der Eisbärin weitergeht, ist derzeit noch offen, die Paarungszeit hat immerhin schon begonnen. Mägdefrau hält es aber eher für unwahrscheinlich, dass der Tiergarten den derzeit in Aalborg lebenden Flocke-Vater Felix oder einen anderen Partner für sie holt. Durch den Neuzugang aus Moskau sei es nun «etwas eng bei uns». Möglich wäre, Vera vorübergehend an einen anderen Zoo auszuleihen, um sie dort decken zu lassen. Oder aber die Eisbärin, die 2007 und 2008 trächtig war, erhält eine einjährige Pause. Flocke und ihr Moskauer Gefährte könnten übrigens theoretisch auch mal Nachwuchs bekommen. Allerdings werden Eisbären erst mit rund vier Jahren geschlechtsreif. Derzeit haben die beiden einfach nur Spaß miteinander.
