„Wir lassen sie einfach in Ruhe, das ist jetzt das Allerwichtigste“, erklärt der stellvertretende Tiergarten-Direktor Helmut Mägdefrau. Bei der Geburt sind die kleinen Bären etwa 500 Gramm schwer und haben die Größe von Meerschweinchen.
Um bestmögliche Bedingungen für eine Aufzucht zu schaffen, muss man sämtliche Stressfaktoren von Vera fernhalten. Dicke Strohballen schirmen die beiden Höhlen-Ausgänge gegen störende Geräusche ab. Vater Felix bleibt auf sein benachbartes Gehege beschränkt: Die Zoo-Verantwortlichen wollen vermeiden, dass der kräftige Eisbär allzu neugierig wird und vor Veras Höhle zu randalieren beginnt.
Auch die Pfleger sollen von der Bärin nicht als Eindringlinge wahrgenommen werden, daher haben sie am 29. November zum letzten Mal Futter gebracht. Das ist aber kein Problem, betont Mägdefrau. Flockes Mutter hat sich einen dicken Winterspeck angefressen und kommt problemlos über die nächsten Wochen hinweg. In freier Wildbahn müssen die Eisbären mitunter mehrere Monate ohne Nahrung überstehen.
Die interessierte Öffentlichkeit muss sich mindestens noch bis Anfang März gedulden, ehe sie den Nachwuchs im Freigehege zu Gesicht bekommt — immer vorausgesetzt, dass alles gutgeht. Das ist durchaus nicht selbstverständlich. Denn im Dezember 2008 hatte Vera Zwillinge durch eine Bakterien-Infektion verloren.
Das Immunsystem von neugeborenen Eisbären ist sehr anfällig. In ihrer natürlichen Umgebung, der Arktis, gibt es aufgrund der extremen Kälte keine Krankheitserreger. Daher brauchen die kleinen Raubtiere am Polarkreis nicht sofort eine robuste Widerstandskraft — im Gegensatz zu den wärmeren Gegenden wie Franken.
Vorsorglich wurde Vera mit Antibiotika gegen Kokzidien behandelt. Diese Bakterien hatten — laut Einschätzung der untersuchenden Veterinäre — den Tod der Zwillinge von 2008 verursacht. Die Pfleger haben außerdem den Stall vor der Geburt noch einmal gründlich gereinigt.
Derzeit kontrolliert der Tiergarten die Vorgänge in der Höhle nur über die dort installierte Videokamera und über das Gehör. Vom Wärtergang aus kann man gelegentlich das laute Schmatzen der kleinen Bären hören, wenn sie bei ihrer Mutter trinken.
Die Überwachungskamera hat aufgezeichnet, wie Vera eines der beiden Neugeborenen an ihre Brust drückt. „Sie umsorgt den Nachwuchs bestens“, merkt der stellvertretende Zoo-Chef an. Allerdings sind die Bilder nur bedingt aussagekräftig, weil eine Spinne Fäden über die Kameralinse gezogen hat.
In den kommenden sechs Wochen werde man nicht eingreifen — außer wenn sich dramatische Entwicklungen abzeichnen: Falls sich Vera deutlich erkennbar dauerhaft von ihrem Nachwuchs abwendet, müsste man über eine Handaufzucht wie bei „Flocke“ nachdenken. Dies will die Tiergarten-Leitung jedoch unbedingt vermeiden — nicht nur aus zoologischen Gründen. Auch der beispiellose Medienrummel steckt den Mitarbeitern am Schmausenbuck immer noch in den Knochen.
Falls Vera eines der beiden Eisbär-Jungen auffressen, sich aber weiter zuverlässig um das andere kümmern würde, sähe Mägdefrau keinen Anlass einzugreifen: „Wir würden die Zähne zusammenbeißen, fränkisches Bier trinken und geduldig bleiben.“

