Nürnberger Zoo: Kleinen Knuts droht Hungertod

Freitag, 04.01.2008, 20:04 · von FOCUS-Online-Autor Dietmar Neuerer
AP Weibchen verstoßen manchmal ihre Jungen
Noch hat das Wohlergehen der Eisbärbabys im Nürnberger Zoo Vorrang. Sollten die Mütter aber ihre Kleinen verstoßen, will der Tierpark nicht eingreifen. Artenschützer haben dafür „durchaus Verständnis“.
Einen Rummel wie bei „Knut“ im Berliner Zoo soll es im Tiergarten Nürnberg nicht geben. Auch wenn die Geburt der Eisbären-Babys schon jetzt nicht ganz geräuschlos und ohne großes Medieninteresse verlaufen ist, hat Tiergarten-Vizechef Helmut Mägdefrau keine Lust auf eine Knut-Manie, wie es sie ihn Berlin gab. „Ich hoffe, das geht an uns vorüber“, sagte er zu FOCUS Online.

Knut war von seiner Mutter verstoßen worden und wäre gestorben, hätte ihm der Berliner Zoo nicht einen Pfleger zugeteilt, der ihn mit der Flasche aufzog. Das Schicksal des Tieres bewegte Millionen von Menschen. Selbst die Bundesregierung nahm Anteil. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) übernahm die Patenschaft für den inzwischen über 100 Kilogramm schweren Eisbär.

„Wir greifen nicht ein“

In Nürnberg geht es nun um die Jungen der Eisbärenweibchen Vilma und Vera. Ende letzten Jahres brachten sie Babys zur Welt. Wie viele, lässt sich noch nicht sagen, meint Mägdefrau. Die Kleinen schlummern in einer Höhle, von der sich die Tierpfleger fern halten. „Die Neugierde hält sich in Grenzen, weil man nicht riskieren will, dass sich die Weibchen nicht mehr um die Jungtiere kümmern“, sagt Mägdefrau. Der Zoo-Vize ist sich aber sicher, dass sie noch leben.

Das ist aber nicht selbstverständlich. Denn häufig kommt es vor, dass Erstgebärende ihre Jungen verstoßen. In Nürnberg verlief bisher alles „hervorragend“, sagt Mägdefrau. Dennoch warnt er vor verfrühter Euphorie: „Es kann noch jede Menge schief laufen.“ Die Mütter könnten beispielsweise ihren Babys Nahrung verweigern, erläutert er. Dann könnte nur noch der Zoo die Kleinen vor dem Hungertod retten. Doch das scheidet in Nürnberg aus. „Wir greifen nicht ein“, stellt Mägdelein klar. „Wir sollten Vertrauen in die Tierwelt haben und akzeptieren, dass es bei Erstgebärenden manchmal eben nicht klappt.“

Berliner Aufzucht „hervorragende Geschichte“

Das sieht auch Naturschützer Jörn Ehlers vom WWF so. Er verweist auf das Leben in der Natur, wo es die Eisbären ja auch nicht einfach hätten. 50 Prozent der Tiere stürben schon im ersten Lebensjahr, sagt Ehlers im Gespräch mit FOCUS Online. Eine Handaufzucht von Eisbären sei zudem „extrem aufwändig und superschwierig. Deshalb hätte ich durchaus Verständnis dafür, wenn der Nürnberger Zoo diesen Weg nicht einschlagen sollte.“ Man könne nicht jedes Zootier mit der Flasche aufpäppeln, gibt Ehlers zu bedenken. Tierfreunde sollten daher nicht der Versuchung erliegen, menschliche Werte auf das Tierreich zu übertragen: „In der Natur ist Sterben nichts besonderes.“

Das sieht auch der Nürnberger Zoo-Vize Mägdefrau so. Dennoch zollt er den Berliner Kollegen für ihren Knut-Erfolg Respekt. Es sei eine „hervorragende Geschichte“, dass die Aufzucht des Eisbärjungen gelungen sei. Er würde diesen Weg allerdings nicht gehen – selbst dann nicht, wenn auf diese Weise viel Geld in die Zookasse gespült würde. „Wenn das der Grund für eine Handaufzucht sein soll, dann sage ich ganz klar nein.“
WWF-Experte Ehlers freut sich dagegen, dass mit dem Marketing-Erfolg bei Knut auch die öffentliche Aufmerksamkeit für den Klimawandel gestiegen sei. Kritisch sieht er aber die „Verkitschung“ des Eisbärenthemas, wenn solche Tiere einen Namen bekämen. Denn Knut sei inzwischen kein Kuschelbär mehr, sagt Ehlers und fügt hinzu: „Ich würde heute jedenfalls nicht in sein Gehege gehen.“
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Leser-Kommentare (60)
21.01.08, 14:02
Knut und Flocke

von Sybille Weidner

Warum macht man so ein Theater ? Alle Tiere die im Zoo leben, leben nur bedingt artgerecht. Aber dass man ein Tier deshalb töten soll, dafür fehlt mir das Verständins. Ich finde es toll, wenn es grossgezogen wird. Ausserdem soll der Nürnberger Zoo nicht so negativ eingestellt sein. Die Besucherzahl und das Mehreinkommen wird sicherlich gerne angenommen. Antwort schreiben

14.01.08, 22:55
Geld und Vermarktung

von Marie

Also, wenn ich das schon höre, artgerecht. Soll das ein Witz sein!?! Kein Zoo kann artgerecht sein, den die Tiere sind ihrem natürlichen Lebensraum beraubt und in viel zu kleinen Steinlandschften oder Käfigen untergebracht. Und dann, oh Gott ein Aufschrei- die Tiere verhalten sich nicht natürlich. Wie denn auch, wenn sie in Gefangenschaft leben. Und Tierbabys werden leider gnadenlos vermarktet!!! Antwort schreiben

 
11.01.08, 12:01
Name für "Knutschi"

von Elke

Wie wäre es mit "ANOUK" dieser Name kommt aus dem hohen Norden und bedeutet "Bär" Antwort schreiben

10.01.08, 18:36
Zoo in Frage gestellt

von E.G

Wenn ein Zoo zuläßt das Eisbären Junge bekommen,sollte auch die Pflicht bestehen, die Tiere nicht verhungern oder fressen zulassen. Ich bin entsetzt über solch eine Diskussion. Artgerecht wird kein Tier im Zoo gehalten. Antwort schreiben

10.01.08, 11:57
Beispiel Berlin

von wig

Berlin hat gut verdient......kommt also allen anderen Tiern zu gute. Der Zoo Nürnberg dürfte am neuesten Stand sein oder ? kein Geld nötig oder schiß. Alles andere sind artgerechte Ausreden, um nicht den Poppo heben zu müssen. M.W Antwort schreiben

 
08.01.08, 19:53
Verantwortung

von Doreen Z.

Auch ich dachte immer, dass Zoos für die Erhaltung der Arten stehen und kann die Einstellung und das Handeln der Zoodirektion in Nürnberg nicht nachvollziehen. Gerade bei vom Aussterben bedrohten Arten haben sie einfach die Pflicht, sich zum den Nachwuchs zu kümmern. Ein Zoo ist zudem nicht mit der Natur zu vergleichen, was soll also das Gerede irgendwelcher Biologen? Antwort schreiben

08.01.08, 18:35
Eisbärbäby

von Dagmar Hoppe

Seit wann sind denn die Eisbären in freier Natur,die im Zoo leben.Dasist doch wohl eine Fehlentscheidung gewesen, Herr Zoodirektor.Dann müßte man jedes Tier das mit der Hand aufgezogen wird sterben lassen. Ihre Zootiere leben ja auch nicht in der freien Natur.So sehe ich das. Antwort schreiben

08.01.08, 15:15
Rücktritt des Vize-Zoo-Chefs erwünscht

von Natascha Horn

Ein Leben im Zoo ist nicht identisch mit dem Leben in freier Natur. Das Argument von Herrn Maegdelein Wir sollten Vertrauen in die Tierwelt haben u. akzeptieren, dass es bei Erstgebärenden manchmal eben nicht klappt" ist absurd und zynisch. Die Fehlentscheidung hat 2 vom Aussterben bedrohten Tieren das Leben gekostet. Diese Fehlentscheidung rechtfertigt den Rücktritt des dafür Verantwortlichen! Antwort schreiben

08.01.08, 14:06
Traurige Fehlentscheidung des Zoo-Vize-Chefs

von Horn

Der traurigen Fehlentscheidung eines prinzipienreitenden Vize-Chefs vom Nürnberger Zoo haben wir es jetzt zu verdanken, dass die beiden Eisbärbabys nicht mehr leben. Ich finde das ungeheuerlich u. völlig unverständlich. Das Leben eines Tieres im Zoo ist m.E. auch nicht gleichzusetzen mit dem Leben in freier Natur. Das Argument 'Vertrauen in die Tierwelt haben' überzeugt deshalb in keiner Weise! Antwort schreiben

 
08.01.08, 12:55
Erst Hungertod und nun angeblich aufgefressen!

von chanice1976

Ich bin empört und zu tiefst schockiert!Man hätte den Kleinen evtl. helfen können und müssen!Und das in so einer Zeit!Unglaublich. Antwort schreiben

08.01.08, 08:04
Arterhaltung

von Bärbel Lütke

Also, ich finde es schreicklich, was gerade im Nürnberger Zoo passiert. Die Arterhaltung ist doch gerade das Wichtigste, da kann man nicht sagen, man würde die Tiere nicht mit der Handaufziehen oder ähnliches. Ich bin richtig entsätzt über den Nürnberger Zoo !! So etwas kann und darf einfach nicht sein. Leben, egal ob Tier oder Mensch, muss erhalten und geschützt werden! Antwort schreiben

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