Wildpark : Altenheim für verrückte Bären

Bei besserem Wetter erwachen die Kragenbären aus der Winterruhe.
Isselburg. In einem Waldstück bei Isselburg bekommen ausgediente Zoo- und Zirkusbären ihr Gnadenbrot. Mancher Tick wächst sich dann wieder aus.
Bärenhunger trifft auf Obsttag: Da ist der Tierpfleger Norbert Höchsmann sicher sehr gut beraten, größeren Abstand zu halten. Er steht vor dem übermannsgroßen Hochsicherheitszaun und wirft den Bären auf der anderen Seite in hohem Bogen Äpfel, Zwetschgen und Erdbeeren zum Fraß vor, Spenden aus dem Supermarkt. Wie, Obst? Aber man lernt: „Die fressen alles außer Kartoffeln, die aber noch nicht mal gekocht“, sagt Höchsmann. Auf Nachfrage dieser Zeitung muss er jedoch einräumen, den Bären Kartoffeln in der gefälligen Version Pommes noch gar nicht angeboten zu haben.
Dies ist der „Anholter Bärenwald“, eine Art Haus Abendsonne für ausgediente Zoo- und Zirkusbären, für 250 Kilogramm schwere Stars aus der Manege a.D. Vier Braunbären und sechs Kragenbären leben derzeit in dem weitläufigen Waldgelände bei Isselburg, ein bisschen im Niemandsland zwischen Niederrhein und Münsterland; sie stammen aus verschiedenen, recht elenden privaten Tierhaltungen und -schauen aus ganz Deutschland und haben, wenn man das bei Bären sagen darf, entschieden einen Hau.
Wie Bene, der letzte Zuzug. Er kam im Herbst 2010 und gehörte eigentlich einem französischen Dompteur; doch nachdem passiert war, was alle „den Unfall“ nennen – er hatte dem Dompteur eine gezimmert – hielt der ihn jahrelang in einer Art Garage ohne jeden Auslauf fest. Der Bär, Typ Großer Brauner, stand im eigenen Dreck und bekam allenfalls Küchenabfälle zu fressen.
Seniorenresidenz für Bären
Noch heute läuft Bene seltsam staksig in seiner Einzelstallung umher, auch ist der Rücken gebogen, und die Krallen sind viel zu lang. Anfangs weigerte er sich ganz, die Schutzhütte zu verlassen, später blieb er immer noch zwanghaft mit einem Fuß drin stehen; und als er erstmals mit dem Elektrozaun in Berührung kam, warf er sich auf den Bauch – ein Indiz, dass er im Zuge der Dressur bestraft worden war. „Besserung ist möglich, aber dass Bene noch mal auf einen Baum klettert, das können Sie vergessen“, sagt Höchsmann.
Manche wiegen anfangs ununterbrochen die Köpfe, wie man das von Elefanten im Zoo kennt; und Evelyn Kramer erinnert sich gar eines Bären, der, kam er an den Zaun, einen Purzelbaum schlug, zurückmarschierte, vor dem Zaun gegenüber wieder einen Purzelbaum schlug, zurückmarschierte, Purzelbaum, zurückmarschierte, Purzelbaum (wahrscheinlich auf Applaus wartend). „Das war furchtbar“, sagt die 54-jährige Schatzmeisterin der „International Bear Federation“, die mit dem Deutschen Tierschutzbund diese Seniorenresidenz für Bären unterhält. Ein Platz für Tiere!
„Artgerechte Haltung von Bären im Zirkus grundsätzlich nicht möglich“
Wie viele Bären in Deutschland unter Bedingungen leben, die nicht artgerecht sind, lässt sich nur schätzen. Marius Tünte vom Tierschutzbund geht von einer dreistelligen Zahl aus. „Zum Beispiel ist artgerechte Haltung von Bären im Zirkus grundsätzlich nicht möglich“, sagt Tünte. Das Problem sei, dass die gesetzlichen Anforderungen unzureichend seien: Für die Haltung von einem oder zwei Bären sei nur eine Fläche von 150 Quadratmetern vorgesehen, notwendig seien aber mehrere tausend Quadratmeter mit Kletter- und Schwimmmöglichkeiten.
Nun, hier in Isselburg haben sie 2,5 Hektar Auslauf. Hügel, zu kucken, und Teiche, zu baden, und Bäume zum Klettern; was den Bäumen, muss man deutlich sagen, gar nicht gut tut. Eigentlich halten die Bären ja Winterruhe zurzeit, eine Art Winterschlaf light: Denn wenn die Sonne heraus kommt und die Temperaturen steigen, wie heute, dann schrecken die Seniorenbären schon mal auf aus dem Dösen und laufen umher.
Und Bene in seiner Quarantäne-Station, dem Hochsicherheitstrakt mit doppelten Zäunen und Strom, schläft eh nicht. Bevor er im Frühjahr zu den anderen Braunbären gelassen wird, stehen ihm noch Zahn- und Krallenbehandlung bevor.
Doch eigentlich müsste er sich auf die Couch eines Psychiaters legen: „Bene kennt Menschen, er hat keine Angst mehr. Er würde Sie zerfleischen“, sagt Höchsmann. Pu, der Bär!
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