Bern

«Björk braucht nun die Pille»

Acht Stunden bei den Berner Bären: Der «Bund» wollte ein Jahr nach der Bärenpark-Eröffnung wissen, wie die Tiere fressen, baden, spielen und sich ausruhen. Dabei sind dem Beobachter auch Frauen aufgefallen – denen vor allem Bär Finn am Herzen liegt.

14:53 Uhr: Die ganze Bärenfamilie wartet aufs Essen. (Valérie Chételat)

14:53 Uhr: Die ganze Bärenfamilie wartet aufs Essen. (Valérie Chételat)

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2,3 Millionen Besucher

Am 25. Oktober 2009, also am Montag vor einem Jahr, ist der Berner Bärenpark der Bevölkerung übergeben worden. Die Besucherzahlen haben im ersten Jahr seines Bestehens alle Erwartungen übertroffen: Rund 2,3 Millionen Personen sollen den Park seither aufgesucht haben.

Einer der Hauptgründe für den Besucheransturm sind die beiden Jungbären, die Mitte Februar geboren worden sind und das Publikum seither entzücken. Es sind die Jungen der zehnjährigen Björk und des halb so alten Finn. Dieser lebt, weil er eine Gefahr für die Jungen darstellt, in einem kleineren separaten Gehege. Die vier Bären sind die ersten Bewohner des Parks. Nachhaltig ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit drang der Bärenpark knapp einen Monat nach seiner Eröffnung, als ein geistig behinderter Mann ins Gehege drang. Die Begegnung mit Finn verlief für ihn glimpflich.

Aus Anlass des einjährigen Bärenpark-Jubiläums veröffentlicht der «Bund» heute und am Montag mehrere Beiträge zum Thema: Nebst der Reportage auf dieser Seite findet sich in dieser Ausgabe ein Leitartikel.

9.30 Uhr: Der Bärenpark liegt vollkommen im Schatten. Ein Flugzeug fliegt von der Stadt her in Richtung Belp. Im grösseren Teil des Parks sammelt ein Wärter mit zwei Eimern, einer Schaufel und einem Rechen Kothaufen zusammen. Björk und ihre Jungen sind im Stall.

9.40 Uhr: Zwei Handwerker montieren bei der langen Treppe schmale Leisten auf das Geländer. Kleinkinder soll es schmerzen, wenn sie von den Eltern darauf gesetzt werden. Wärter und Handwerker wechseln ein paar Worte. «Wenn Finn auch auf dieser Seite wäre, ginge es ans Lebendige», erklärt der Wärter.

9.55 Uhr: Finn, der Vaterbär, hat sich im flachen Teil seines durch einen massiven Zaun abgetrennten Geheges ausgestreckt. Ab und zu bewegt er den Kopf.

10.10 Uhr: Im anderen Teil des Parks wirft ein Wärter Gemüse und Früchte den Abhang hinab. Einige Apfelhälften kullern bis ins Becken.

10.23 Uhr: Björk und ihre beiden Jungen kommen aus dem Stall. Sie beginnen damit, Futter zu suchen. Wie aus dem Nichts stehen 40 Besucher am Geländer. Finn liegt noch an seinem Platz. Vor fünf Minuten berührten in seiner Nähe die ersten Sonnenstrahlen den Boden des Parks. Eine Krähe landet bei ihm und fliegt wieder weg.

10.48 Uhr: Björk und ihre Jungen sind noch nicht weit gekommen. Sie sind je fünf Meter voneinander entfernt und sehen den Schafen, die am Muristalden drüben weiden, verblüffend ähnlich. Das Gras ist mit Raureif bedeckt. «Sie erhalten jetzt dann Schlittschuhe», sagt ein Mann. Die Frau neben ihm lacht.

11.10 Uhr: Finn muss in der Zwischenzeit aufgestanden sein. Er befindet sich im unteren Teil des Parks, dort, wo kurz nach der Parkeröffnung der geistig behinderte Mann eingedrungen war. Bei der Einstiegsstelle ist der Zaun jetzt höher. Auf der Mauerkrone sind Stacheldrahtrollen befestigt worden.

11.40 Uhr: Björk liegt im hinteren Teil des Parks unterhalb des Wäldchens. Eines der Jungen stellt sich rücklings an einen Baumstamm und reibt sein Fell daran. Vier Männer joggen der Aare entlang. Einer zeigt im Laufen auf Björk. Finn liegt auf einer Steilstufe an der Sonne. Auf der Nydeggbrücke stehen 23 Personen, die in den Park schauen.

12.07 Uhr: Am Aareufer picknicken 28 Personen. Eine Joggerin hält sich am Geländer fest und macht Dehnungsübungen. Die Jungbären spielen am Rand des Wasserbeckens. Björk fischt eine Apfelhälfte aus dem Wasser, die sie nur ganz knapp erreicht. Rund 50 Personen verfolgen das Geschehen. Jede zweite Person hantiert mit einer Handykamera oder einem Fotoapparat.

Trichterförmiger Sprühnebel

12.32 Uhr: Oben an der Treppe bei der Nydeggbrücke bildet sich ein kleiner Publikumsauflauf. Finn steht auf der Geländekante, exakt auf Augenhöhe der Besucher. Er atmet rasch. Die Luft, die er senkrecht nach unten ausstösst, kondensiert zu einem trichterförmigen Sprühnebel. Niemand sagt etwas. Nach wenigen Augenblicken begibt sich Finn hinter den Holzhaufen. Kurz darauf tauchte er wieder auf. Er hat einen mächtigen Kopf. Er setzt sich. Nach drei Minuten legt er sich auf den Boden. Sein Kopf sinkt auf seine Vorderbeine.

13.00 Uhr: Björk befindet sich mit ihren Jungen hinten im Park, oben am Hang.

13.24 Uhr: Der ganze Bärenpark liegt in der Sonne. Die Jungen liefern sich einen kurzes Kämpfchen. Finn steht beim Trennzaun. «Es ist ein rechtes Tier», sagt ein Mann mit Ostschweizer Dialekt.

13.30 Uhr: Die beiden Jungen raufen und boxen. Sie verfolgen sich bis ans Wasser hinunter. Kinder schreien vor Freude; sie möchten, dass sie baden.

13.41 Uhr: Einer der beiden Bären steigt ins Wasser. Vom oberen Geländer aus betrachtet, scheint er mit langsamen Bewegungen über einem dunklen Abgrund zu fliegen. Die Menschenmenge in seiner Nähe vergrössert sich rasch. Rund hundert Personen schauen ihm zu.

14.10 Uhr: Drei Frauen diskutieren über das Geländer. Der Aufsatz werde niemanden daran hindern, Kinder darauf zu setzen. Vor allem dann nicht, wenn die Kinder noch Windeln tragen, sagt eine. «Es müssten schon Stacheln sein.» Björk liegt mit den Jungen oben bei der Mauer am Trennzaun. Gleich auf der anderen Seite sitzt Finn vor der Tür, die ins Innere führt. Von oben betrachtet ist die Bärenfamilie auf einer Fläche von neun Quadratmetern versammelt.

«Finn ist depressiv»

Die Bären bleiben bis 15.43 Uhr in dieser Zone. Björk und die Jungen sind ruhig. Finn setzt sich immer wieder vor die Tür. Dazwischen dreht er gut hundert Meter lange Runden. Zuerst begibt er sich ein paar Meter nach unten, trottet bis zum Holzhaufen und steigt wieder hinauf zur Mauer. Manchmal legt er im unteren Teil eine Zusatzschlaufe ein. Zu dieser Zeit steht viel Publikum über den für die Bären versperrten Eingängen. Mehrere Frauen geben sich als Bärenfans zu erkennen. Rasch wird klar, dass ihnen vor allem Finns Wohlergehen am Herzen liegt. Sein Gehege sei viel zu klein. «Er langweilt sich. Er ist depressiv. Wer das nicht sieht, ist blind», sagt eine. Eine zweite findet, sobald die Kleinen den Park verlassen hätten, müsse Finn ebenfalls das grosse Gehege beanspruchen dürfen. Und zwar für längere Zeit. Deshalb dürfe Björk, die seit längerem unter Liebeskummer leide, nicht gleich wieder schwanger werden. «Björk braucht nun die Pille», sagt sie. «Dass man uns nicht falsch versteht», sagt eine dritte: «Wir finden den Park besser als den alten Bärengraben – aber er ist nicht optimal.»

15.43 Uhr: Björk und die Jungen dürfen hinein, Finn zwei Minuten später. Zwei Wärter verteilen Futter in den Gehegen. Für Finn gibt es drei Kübel, vier sind es für den Rest der Familie.

15.53 Uhr: Finn erscheint wieder im Freien. Drei Minuten später schiessen die Jungen aus der anderen Tür. Björk taucht eine halbe Minute nach ihnen auf. In der nächsten halben Stunde suchen sie nach Futter. Finn frisst, was ihm vor die Nase kommt. Auch Salat. Er ist nicht wählerisch.

16.16 Uhr: Björk gleitet ins Wasserbecken – «wie ein Krokodil», sagt eine Frau. Nach 20 Sekunden ist Björk wieder draussen und schüttelt sich kräftig.

16.42 Uhr: Finn steht unten in der Nähe des Wassers. Er frisst Gras.

17.02 Uhr: Björk und die Jungen wühlen mitten im Hang in der Erde, knabbern an Ästen, untersuchen Sträucher.

17.10 Uhr: Ein letzter Blick von oben. Finn grast. Björk und die Jungen bewegen sich gemächlich in Richtung Westen, der Abendsonne entgegen. Die Farben im Park wirken sehr intensiv.

17.15 Uhr: Ein allerletzter Blick. Björk und die Jungen bewegen sich wie vorher. Nur in die andere Richtung. (Der Bund)

Erstellt: 25.10.2010, 17:05 Uhr

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