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"Bei uns ist kein einziges Tier verschwunden"

Wie sich Zoo- und Tierparkchef Blaszkiewitz im Abgeordnetenhaus gegen Kritiker verteidigt

Claudia Fuchs

Normalerweise wird Bernhard Blaszkiewitz über Tiere ausgefragt, gestern musste Blaszkiewitz über Blaszkiewitz reden. Der 54-jährige Zoo- und Tierparkchef war zur Anhörung in den Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses geladen. Der Grund: die massiven Vorwürfe gegen ihn wegen illegaler Tierversuche und Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz.

Als Blaszkiewitz pünktlich um 12 Uhr Saal 311 betrat, begrüßten ihn einige Zuhörer mit Beifall. Blaszkiewitz quittierte die Sympathiebekundung mit einer Verbeugung. Dann schob er sich an den Kameramännern und Fotografen vorbei, die ihn umlagerten, als wäre er Politiker oder Angeklagter. Danach ließ er sich auf den Sessel sinken und formte mit den Händen eine "Ich-sehe-euch"-Geste Richtung Fotografen. In den folgenden drei Stunden zeigte er sich aber weniger dominant: Der gebürtige Tempelhofer, der sonst für seine deutliche Sprache bekannt ist, gab sich zurückhaltend.

Bereits vor Ostern hatte die Grünen-Politikerin Claudia Hämmerling Anzeige gegen ihn erstattet. Im Tierpark, so ihr Vorwurf, würden Jungtiere gezüchtet, obwohl kein Bedarf bestehe; Inzest sei an der Tagesordnung; minderwertige Tiere endeten beim Schlachter oder beim Präparator. Wenig später wurde bekannt, dass Blaszkiewitz Anfang der 90er-Jahre eigenhändig vier kleine Katzen im Tierpark getötet hatte. Zu all diesen Punkten hatten nun FDP, Grüne, Linke und SPD Fragen formuliert, und das Interesse war immens: Die 80 Zuschauerplätze waren bereits eine dreiviertel Stunde vor Beginn der Anhörung besetzt.

Blaszkiewitz' größte Widersacherin fehlte: Claudia Hämmerling war erkrankt, an ihrer Stelle sprach der Grünen-Abgeordnete Michael Schäfer. Er erneuerte die Vorwürfe gegen den Zoo-Chef. "Wir haben berechtigte Zweifel, dass er es auch sonst mit dem Tierschutz nicht so ernst meint", sagte Schäfer. Blaszkiewitz solle zur Tötung der Katzen ebenso Stellung beziehen wie zum Vorwurf, Tiere zu züchten, die nicht gebraucht würden. Die SPD warf den Grünen daraufhin vor, alle Antworten bereits zu kennen. "Wir wollen Aufklärung", so der Sozialdemokrat Daniel Buchholz.

Blaszkiewitz erklärte den Anwesenden zunächst einmal, wie sein Name ausgesprochen wird - "Blas-ke-witz, das ist ganz einfach". Dann sprach er über Zuchtbücher, über die Abgabe von Tieren an Tierhändler oder andere Parks und - falls Auswildern nicht möglich sei - dass Tiere schmerzlos getötet werden könnten. Das aber habe es weder im Tierpark oder Zoo in der Vergangenheit gegeben. Blaszkiewitz redete über Panther und Leoparden, über Besucherzahlen und die "entspannte finanzielle Situation". Auf die meisten Fragen antwortete er nicht. Er habe sie vergessen, erklärte er auf Nachfrage, er habe sie zwar notiert, er könne seine Schrift nicht mehr lesen. Schließlich erklärte er, heute würde er keine kleine Katzen mehr töten, "ich bin jetzt 17 Jahre älter". Und nein, im Tierpark und Zoo sei "kein einziges Tier" verschwunden. All das stehe auch in den Büchern, "aber die werden nicht in die Öffentlichkeit gegeben". Er bot allerdings dem Senat Einblick an. Umweltstaatssekretär Benjamin Hoff erklärte danach, man wolle die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten; eigene Recherchen hätten bislang aber keine belastenden Fakten ergeben. Berlins Tierschutzbeauftragter Klaus Lüdcke erklärte gestern, bereits früher mit Blaszkiewitz über all diese Themen gesprochen zu haben - ohne Ergebnis. "Das Gespräch war beendet, das Thema nicht", sagte er und mahnte "blitzschnelle" Ermittlungen an: "Dann kann man auch Konsequenzen ziehen."

Nach der Ausschusssitzung stand einigen die Unzufriedenheit deutlich ins Gesicht geschrieben. "Ich bin entsetzt, dass so getan wird, als würden wir eine Kampagne gegen Blaszkiewitz fahren", sagte Michael Schäfer. Auch der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Wolfgang Apel, zeigte sich enttäuscht: "Mir ist immer noch nicht klar, wo die Tiere aus dem Tierpark geblieben sind."

"Ich erwarte eine detaillierte Prüfung der Vorwürfe", sagte der Liberale Mirko Dragowski. Ähnlich äußerte sich der Grüne Schäfer - auch Bezug nehmend auf die jüngsten Vorwürfe über den Umgang von Blaszkiewitz mit Fördergeld, die die Berliner Zeitung gestern öffentlich gemacht hatte.

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"Blaszkiewitz hat sich geweigert, Transparenz herzustellen. Ich bin entsetzt, dass das nicht für einen Aufschrei sorgt." Michael Schäfer, Grüne

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Foto: Ich beobachte euch auch, sollte die Geste von Tierpark- und Zoo-Direktor Bernhard Blaskiewitz vor Beginn der Anhörung wohl bedeuten.