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Inzest hinter Gittern

Grünen-Politikerin zeigt Tierpark-Chef an - ein Flusspferd soll beim Schlachter gelandet sein

Thorkit Treichel, Claudia Fuchs, AFP

Die Grünen-Politikerin Claudia Hämmerling hat Strafanzeige gegen den Direktor von Tierpark und Zoo, Bernhard Blaszkiewitz, und weitere Verantwortliche gestellt, unter anderem wegen nicht genehmigter Tierversuche und wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Hämmerling wirft Blaszkiewitz vor, Tiere zu züchten, "obwohl er keine Verwendung für sie hat". Blaszkiewitz sprach von einer Kampagne gegen ihn und wies die Vorwürfe zurück. "Den Ermittlungen sehe ich gelassen entgegen."

Die Liste der Vorwürfe von Hämmerling ist lang: Im Tierpark seien Tiere nur gekreuzt worden, um die Fortpflanzungsfähigkeit der Weibchen zu testen; Inzest sei üblich; das Publikum solle mit "niedlichen Tieren" unterhalten werden, die aber gar nicht gebraucht würden; genetisch minderwertige Tiere endeten häufig beim Schlachter oder beim Präparator. So seien 1992 ein Zwergflusspferd und vier Kragenbären geschlachtet worden. Zudem moniert Hämmerling die Kreuzung eines schwarzen Panther-Weibchens mit einem Java-Leoparden. Ein Jungtier sei gestorben, andere seien an einen Tierhändler abgegeben worden. "Was aus ihnen geworden ist, ist ungeklärt." Der Tierpark und andere zoologische Einrichtungen seien an den Tieren nicht interessiert: "Das sind zoologisch minderwertige Individuen."

Letzteres bezeichnete Blaszkiewitz als "Blödsinn". Die Großkatzen seien zusammen gebracht worden, "weil sie einsam waren". Im Übrigen seien Panther und Leopard synonyme Begriffe für eine Art. "Tatsächlich ist der Panther auch ein Leopard, nur eben schwarz." Und beide Katzen würden sich auch in Freiheit paaren.

Dass es Inzest unter Tieren gibt, bestritt Blaszkiewitz nicht. "Aber das kommt auch in der Natur vor, eben bei den Giraffen". Es sei aber nicht richtig, dass andere Einrichtungen nicht an solchem Nachwuchs interessiert seien. "Auch Inzest-Giraffen sind Giraffen, und die sind gefragt." Den Vorwurf, die Tiere würden zum Schlachter gebracht, wies Blaszkiewitz zurück.

Es stimme auch nicht, dass ein Zwergflusspferd und vier Kragenbären geschlachtet wurden. Das Flusspferd sei an einen Tierhändler verkauft, die Kragenbären an einen Händler verschenkt worden. Keines dieser Tiere sei geschlachtet worden. Üblich sei das nur bei überzähligen Haustieren wie Schafen oder Ziegen. Blaszkiewitz: "Aber auch da gibt es strenge Vorschriften."

Im internationalen Zuchtbuch für Zwergflusspferde, das im schweizerischen Basel geführt wird, will Claudia Hämmerling hingegen Beweise für die Schlachtung gefunden haben. So habe es 1997 geheißen, ein Tier aus Berlin sei an einen Zoo in belgischen Wortel gegangen. "Das ist aber kein Zoo, sondern ein Schlachter", so Hämmerling. Und genau jener Eintrag fand sich 2006 nicht mehr im Zuchtbuch. Nun stehe dort, das Tier sei 1997 "unknown" abgegeben worden - also an unbekannt. Blaszkiewitz erklärte gestern, den Sachverhalt nicht zu kennen: "Das Zuchtbuch wird ja nicht bei uns geführt."

Hämmerling forderte Blaszkiewitz auf, seinen Posten aufzugeben. Es gehe ihm nur um das Sammeln von Tieren, sagte sie. Zudem übte sie erneut Kritik am Umgang mit Eisbär Knut. Dieser habe keinen Kontakt mit Artgenossen und sei nun einsam. "Der Zoo hätte rechtzeitig ein Eisbärweibchen anschaffen müssen", sagte sie. "Das sagt sich so schön", entgegnete Blaszkiewitz. "Hätte es ein Weibchen gegeben, wäre das auch passiert." Und was den Vorwurf des Zur-Schau-Stellens von Tieren angehe - "genau dafür sind Zoos ja auch da".

Nach Angaben einer Sprecherin prüft die Staatsanwaltschaft nun, ob ein ausreichender Anfangsverdacht vorliegt, um Ermittlungen aufzunehmen. Der Vorsitzende des Tierschutzvereins, Wolfgang Apel, forderte gestern eine schnelle Aufklärung der Vorwürfe. Ein Zoo stehe in den Diensten des Artenschutzes und könne "nicht Tiere vermehren, um sie anschließend zu töten", sagte er. (mit AFP)

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Mehr als vier Millionen Besucher

Der Zoologische Garten am Hardenbergplatz im Ortsteil Tiergarten wurde 1844 gegründet und gehört zur Zoologischer Garten Berlin Aktiengesellschaft. Die 4 000 Aktien befinden sich im Privatbesitz, nur eine gehört dem Land Berlin.

Auf 35 Hektar Fläche lebten Ende 2007 im Zoo genau 13 722 Tiere in 1 388 Arten. Damit ist die Einrichtung die artenreichste in ganz Europa.

Der Tierpark Berlin im Lichtenberger Ortsteil Friedrichsfelde wurde 1951 gegründet. Er ist heute eine GmbH und eine 100-prozentige Tochter der Zoologischer Garten Berlin AG.

Auf einer Fläche von 160 Hektar lebten im Tierpark Ende vergangenen Jahres 7 955 Tiere in 976 Arten.

Geleitet werden beide Einrichtungen von Bernhard Blaszkiewitz. Der gebürtige Tempelhofer ist seit 1991 Chef des Tierparks, seit 2007 leitet er auch den Zoologischen Garten.

2007 kamen 3,18 Millionen Besucher in Zoo und Aquarium, der Tierpark hatte 910 500 Besucher.

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Foto: Angeblich endete ein Tierpark-Zwergflusspferd 1992 beim Schlachter.

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Foto: Weil ein Schwarzer Panther und ein Leopard im Tierpark gekreuzt wurden, gibt es Kritik von der Grünen-Politikerin Claudia Hämmerling.